- Kapitel 1: Thomas leidet zunehmend unter Depressionen, hat Suizidgedanken und verliert sich in obsessiv-zwanghaftem Verhalten. Gegenüber anderen Menschen tritt er wie ein Schauspieler auf. Die Firma macht kaum mehr Gewinn und das Kapital ist reduziert. Armgards Ehemann hat sich erschossen.
- Kapitel 2: Hanno wirkt noch immer schwächlich und abweisend. Den Söhnen von Hermann Hagenström ist er hoffnungslos unterlegen und schutzlos ausgeliefert. In der Schule schlägt er sich schlecht, zu seinen Altersgenossen hat er kaum Kontakt. Thomas versucht eher vergeblich, ihn mehr in Richtung des praktischen Lebens zu drängen, weg von der Musik.
- Kapitel 3: Hanno fährt während der Sommerferien mit Gerda und Ida nach Travemünde. Geradezu verzweifelt verdrängt er dort alle Gedanken an die Schule. Bei der Rückkehr nach Hause weint er. Am Ende des Urlaubs wirkt er nur noch verweichlichter und verwöhnter.
- Kapitel 4: Hugo wird aus der Haft entlassen. Sein Geist ist gebrochen. Er bricht nach London auf, wo ihm eine Stelle angeboten wurde. Eine weitere Nachricht folgt noch aus Hamburg, danach hört man nie wieder etwas von ihm.
- Kapitel 5: Gerda hat offenbar eine Affäre mit dem schwärmerischen, gut aussehenden und musikalischen Leutnant von Throta. Thomas ahnt davon (wie die gesamte Stadt), reagiert darauf aber mit ohnmächtiger Frustration. Er hat Angst vor dem öffentlichen Skandal. Zudem ist seine Beziehung zu Gerda immer von Nachsicht und Schweigen geprägt gewesen. Thomas' Depressionen nehmen zu. Er neigt zur Grübelei und leidet etwa an Appetit- und Schlaflosigkeit. Seine Selbstachtung schwindet. Mit 48 Jahren sieht er seinen Tod bevorstehen. Enttäuscht wendet er sich von Hanno ab, der nicht so stark geworden ist, wie er es sich immer erhofft hatte. Er liest Teile von Schopenhauers Buch „Über den Tod”. In der folgenden Nacht bekommt er einen depressiven Schub und glaubt, nach seinem Tod von den Schranken des irdischen Lebens befreit zu werden und fortan in allen Menschen weiterzuleben. Am nächsten Tag schämt er sich für diese Gedanken. Bald darauf schreibt er sein Testament.
- Kapitel 6: Thomas und Christian fahren zur Erholung nach Travemünde, wo sie sich mit Makler Gosch, Rechtsanwalt Andreas Gieseke und Peter Döhlmann treffen. Thomas wirkt sehr ungesund und fatalistisch. Das Wetter ist miserabel, unentwegt fällt Regen. Die Herren wirken müde und resignierend, wären am liebsten schon tot. Thomas trifft sich mit Tony. Er beneidet seine Schwester dafür, jedes Leid offen ausgesprochen zu haben, wodurch nun ihr Herz leicht sei. Beim Blick aufs Meer stellt er fest, dass er früher das Gebirge bevorzugt habe. Heute habe er aber nicht mehr die notwendige Unternehmungslust und Energie, um dieses zu bezwingen. Er bevorzuge nun die Einfachheit des Meeres.
- Kapitel 7: Thomas geht mit starken Zahnschmerzen zum Arzt. Die Operation misslingt. Er soll am nächsten Tag wiederkommen. Auf dem Weg nach Hause fällt er ohnmächtig auf den Bürgersteig.
- Kapitel 8: Die Ärzte können nichts mehr für Thomas tun. Einige Stunden nach seiner Ohnmacht stirbt er. Eine Veränderung ist dadurch kaum sichtbar. Seine Augen wirkten bereits zuvor tot.
- Kapitel 9: Anna besucht Thomas' Leichnam. Fassungslos und schluchzend schaut sie diesen an. Später wird Thomas im Rahmen einer großen Zeremonie, bei der unzählige anwesend sind, beerdigt.
1. Hinweise
- Alle Quellenangaben beziehen sich standardmäßig auf die Ausgabe Fischer, 62. Auflage (2012), ISBN 978-3-596-29431-2.
- Die Häufigkeitsangaben bei Personen und Orten sind Richtwerte. Wörter wie „er”, „ihre”, „seine” und ähnliche wurden nicht mitgezählt.
2. Kapitel 1
Erwähnte Personen
- 21xThomas
- 9xTony
- 8xGerda
- 3xHerr Marcus
- 3xArmgard von Schilling
- 2xHerr von Maiboom
- 2xHugo
- 2xStephan Kistenmaker
- 1xHerr Wenzel
- 1xFamilie Hagenström
- 1xJohann
- 1xFuhrmann Dankwart
- 1xErika
- 1xHerr Iwersen
- 1xHanno
- 1xKnecht des Fuhrmanns Dankwart
- 1xIda
Erwähnte Orte
- 4xHaus in der Fischergrube
- 3xLübeck
- 2xAnkleidekabinett (Haus in der Fischergrube)
- 1xWohnung der Weinschenks
- 1xAnnas Blumenladen
- 1xArbeitszimmer (Herrenhaus von Pöppenrade)
- 1xHauptkontor (Haus in der Fischergrube)
- 1xThomas' Privatbüro (Haus in der Fischergrube)
- 1xBörse (Lübeck)
- 1xBadezimmer (Haus in der Fischergrube)
- 1xHaus in der Mengstraße
- 1xWohnzimmer (Haus in der Fischergrube)
- 1xGefängnis (Lübeck)
- 1xErstes Stockwerk (Haus in der Fischergrube)
- 1xHamburg
- 1xRostock
- 1xSalon (Haus in der Fischergrube)
- 1xAnkleidezimmer (Haus in der Fischergrube)
- 1xHerrenhaus von Pöppenrade
Zusammenfassung
Thomas verfällt zunehmend in Depressionen. Er kann in seiner Arbeit und seinen Errungenschaften nichts Herausragendes mehr erkennen. Seine Dynamik und sein Spaß an der Arbeit sind dahin. Er fühlt sich müde und verdrossen, betrachtet sein Leben als mittelmäßig und glaubt, alles erreicht zu haben, was er erreichen konnte. Sein Kapital ist inzwischen, einschließlich Grundbesitz, bei 600.000 Kurantmark angekommen und damit stark reduziert. Kürzlich ist die Stadt dem Zollverein beigetreten. Enorme Profite werden gemacht, kleine Krämerläden steigen zu großen Firmen auf. Nur die Firma Buddenbrook versteift sich auf risikolose Geschäfte und verdient an den Umwälzungen nicht viel. Die ganze Stadt macht sich bereits über Thomas' penibel gepflegte Kleidung lustig. Geschäftlich fühlt er sich gelähmt und politisch kann er nichts mehr erreichen. Er hat seine Macht zwar ausgebaut und ist zur rechten Hand des Bürgermeisters geworden, kann aber selbst dessen Posten niemals einnehmen, da er keine akademische Ausbildung genossen hat. (Seine autodidaktische Fortbildung spielt dabei keine Rolle.)
Thomas arbeitet jetzt meistens alleine in seinem Privatbüro, da so seine Grübeleien weniger auffallen, zumal er das zwanghafte Verhalten von Herrn Marcus nicht mehr ertragen konnte. Doch auch er selbst verzettelt sich in ähnlich zwanghaften Bagatellen, die in erster Linie sein Äußeres betreffen. Er vermutet, dass dieses Verhalten einer tiefen Rastlosigkeit entspringt, welche wiederum sein permanentes Gefühl von Leere betäuben soll. Mittlerweile braucht er über eine Stunde zum Ankleiden. Bei der Prozedur ist fast jeder Handgriff genau festgelegt. Er schämt sich dafür und verzweifelt darüber, sieht sich aber auch nicht imstande, irgendetwas daran zu ändern. Noch immer lässt er sich alles beim edelsten Schneider Hamburgs fertigen und hat ein ganzes Ankleidezimmer voller Sachen. Zwar ist er knauserig geworden, doch bei der Kleidung spart er nicht. Insbesondere bevor er unter Menschen tritt, muss er viel Zeit für seine Ankleideprozedur aufwenden. Nur dadurch bekommt er das Befriedigungs- und Bereitschaftsgefühl, das er für den Umgang mit anderen braucht.
Inzwischen fühlt er sich mehr wie ein Schauspieler. Sein Inneres erscheint ihm verödet und verarmt. Die Arbeit bereitet ihm keinen Spaß mehr. Gleichzeitig empfindet er einen starken Drang danach, würdig zu repräsentieren. So schauspielert er, was all seine Kräfte verbraucht. Genau während dieser Schauspielerei fühlt er sich aber noch am besten. Wenn er untätig ist, verliert er seine Maske und Müdigkeit, Überdruss und Verzweiflung überkommen ihn.
An einem warmen Sonntagabend ist Tony zu Besuch bei Thomas und Gerda. Hugo sitzt noch immer in Haft, bald soll jedoch ein Gnadengesuch eingereicht werden. Thomas liest in der Zeitung, während die anderen beiden sich mit Handarbeiten beschäftigen. Thomas beklagt sich über die Inhaltslosigkeit der Zeitung und natürlich zitiert Tony sogleich Mortens Meinung über die Nutzlosigkeit der Klatsch-und-Tratsch-Blätter. Plötzlich stoppt sie und schaut erschrocken auf eine der Nachrichten. Laut der Meldung hat sich Herr von Maiboom in der vorherigen Nacht erschossen. Gedankenverloren starrt Thomas in den dunklen Salon und dreht seinen Schnurrbart in der Hand. Dann schließlich amüsiert er sich über die Methode mit der sich Armgards Mann umgebracht hat, bevor er wieder in Gedanken versinkt. Skeptisch beäugt ihn Gerda von der Seite.
3. Kapitel 2
Erwähnte Personen
- 46xHanno
- 23xThomas
- 10xKai
- 6xDoktor Langhals
- 4xGerda
- 3xKlothilda
- 2xHermann
- 2xFamilie Buddenbrook
- 2xHerr Fritsche
- 2xTony
- 2xJohann
- 2xIda
- 1xFrau Stüwing
- 1xVater von Kai
- 1xJosephus
- 1xKonsulin
- 1xFriederike
- 1xHerr Brecht
- 1xGrabow
- 1xHerr von Rinnlingen
- 1xMoritz Hagenström
- 1xHerr Asmussen
- 1xHenriette
- 1xChristian
- 1xPfiffi
- 1xHerr Pfühl
Erwähnte Orte
- 3xBadeanstalt von Herrn Asmussen
- 2xSchule (Lübeck)
- 2xHafen (Lübeck)
- 2xHaus in der Mengstraße
- 2xLübeck
- 1xZweite Etage (Haus in der Fischergrube)
- 1xAltan (Haus in der Fischergrube)
- 1xEisbahn
- 1xTrave
- 1xKai (Hafen von Lübeck)
- 1xHof (Schule)
- 1xKopenhagen
- 1xAnkleidezimmer (Haus in der Fischergrube)
- 1xBreite Straße
- 1xBurgfeld
- 1xMühlenstraße
Zusammenfassung
Thomas betrachtet zwar sein eigenes Leben als aufgerieben und hoffnungslos, sein Familiensinn lässt ihn aber nur das Beste für Hannos Zukunft erwarten. Dessen Fixierung auf die Musik sieht er als weiblichen Einfluss Gerdas an. Er ist entschlossen, diesen mit männlichen Eindrücken zu neutralisieren. Bereits jetzt steht fest, dass Hanno die Firma später übernehmen soll. Dabei zeigt dieser wenig Begeisterung dafür und schlägt sich in der Schule schlecht. So lässt Thomas ihn lieber nicht das Gymnasium besuchen. Man müsse Rücksicht auf den Jungen nehmen, ihn aber zugleich gezielt abhärten, um aus ihm einen Kaufmann zu machen.
Inzwischen wirkt Hanno nicht mehr ganz so mädchenhaft, erscheint unter den anderen, skandinavisch aussehenden Schülern aber nach wie vor deplatziert. Seine Arme sind noch immer weich und dünn, er guckt abweisend und hält seinen Mund wehmütig geschlossen. Laut dem jungen Doktor Langhals liegt Hannos Schwäche und Blässe an zu wenig roten Blutkörperchen. Alle anderen Beschwerden seien nur Sekundärerscheinungen dieses Mangels. So bekommt das Kind Lebertran und andere widerliche Mittel verordnet.
Zusätzlich versucht Thomas, Hanno mit Sport zu stählen. Dieser zeigt demgegenüber aber einen fast hochmütigen Widerwillen. Die Söhne Hermann Hagenströms sind da ganz anders und gelten als draufgängerische Sportler. Die von Moritz Hagenström zumindest als emsige Musterschüler. Hanno jedoch wird für gar nichts respektiert, stattdessen als ängstliches Weichei angesehen und verbringt seine Zeit lieber mit Musik und Geschichten. So hat er auch kaum Kontakt zu seinen Altersgenossen und baut keine Beziehungen auf. Kai ist da ein guter Freund: Auch dieser bleibt dem Sport fern, weil er die dafür notwendige Disziplin und Ordnung verachtet. Lieber erzählt er Geschichten, die in der Realität beginnen und dann immer mehr in Fantasiewelten abgleiten. Hanno wiederum untermalt diese mit passender Musik.
Auf Geheiß von Thomas und Doktor Langhals muss Hanno am Ende aber dennoch an den örtlichen Turnspielen teilnehmen, Schlittschuh laufen und die Badeanstalt von Herrn Asmussen besuchen. Am meisten Angst jagen ihm bei all dem die Söhne von Hermann Hagenström ein, die ihn verhöhnen, schubsen oder unters Wasser ziehen, wann immer sie nur können. Hanno versucht nicht einmal, sich dagegen zu wehren. Nur einmal wird er von Kai gerächt, der einem der beiden Hagenströms in der Badeanstalt unter Wasser ins Bein beißt, was diese ihm aber sofort heftig vergelten.
Thomas ist auch bemüht, Hanno mehr aus dem praktischen Leben des Kaufmanns beizubringen. So nimmt er ihn zum Hafen und zu den Speichern mit, wobei er dem Jungen prüfende Fragen stellt. Hanno ist dies zwar zuwider, doch auch dagegen wehrt er sich nicht.
An manchen Tagen muss Thomas Besuche bei diversen wichtigen Familien machen. Zu diesen Anlässen nimmt er Hanno mit, um ihm so den gekonnten Umgang mit anderen Menschen vorzuführen. Leider erreicht er damit nicht den gewünschten Effekt, denn sein Sohn sieht auch sehr genau, wie Thomas mit jedem Besuch wortkarger und bleicher wird. So wirkt dieses Sich-Präsentieren auf Hanno wie eine furchtbar schwere und aufreibende Anstrengung. Mit einem mulmigen Gefühl denkt er daran, ähnliches auch eines Tages tun zu müssen.
Thomas eigentliches Ziel ist es, bei Hanno Unbefangenheit, Rücksichtslosigkeit und „einen einfachen Sinn für das praktische Leben” zu entwickeln. Er glaubt, dass Skrupellosigkeit zum guten Geschäftsmann gehöre. Man müsse Situationen ohne Schamgefühl zum eigenen Vorteil ausnutzen. So hält er selbst es zwar für armselig, die schwache Klothilda zu ärgern, bestärkt aber gleichzeitig Hanno darin, dies zu tun.
4. Kapitel 3
Erwähnte Personen
- 30xHanno
- 10xIda
- 9xGerda
- 6xDoktor Langhals
- 5xThomas
- 2xKai
- 2xChristian
- 2xFamilie Schwarzkopf
- 2xHerr Pfühl
- 1xFrau Stüwing
- 1xHerr Tiedge
- 1xHermann
- 1xKlothilda
- 1xAndreas Gieseke
- 1xGrobleben
- 1xFamilie Buddenbrook
- 1xFriederike
- 1xHerr Arnoldsen
- 1xHerr Asmussen
- 1xHenriette
- 1xTony
- 1xFamilie Hagenström
- 1xCremer
- 1xTochter von Peter Döhlmann
- 1xHausknecht des Kurhauses in Travemünde
- 1xKellner des Kurhauses
- 1xHugo
- 1xPfiffi
- 1xPeter Döhlmann
Erwähnte Orte
- 7xTravemünde
- 6xStrand (Travemünde)
- 5xKurgarten (Travemünde)
- 5xLübeck
- 3xVorderreihe (Travemünde)
- 3xMusiktempel (Travemünde)
- 3xHannos Zimmer in Travemünde
- 2xKonditorei (Travemünde)
- 2xKinderspielplatz (Travemünde)
- 2xTravemünde)
- 2xLeuchtenfeld (Travemünde)
- 2xHamburg
- 2xKurhaus (Travemünde)
- 2xHaus in der Fischergrube
- 2xBreite Straße
- 2xLeuchtturm (Travemünde)
- 1xStallgebäude (neben den Schweizerhäusern
- 1xSaal des Kurhauses (Travemünde)
- 1xBurgstraße
- 1xNorwegen
- 1xHauptgebäude des Kurhauses (Travemünde)
- 1xKoberg
- 1xTirol
- 1xIsraelsdorfer Allee
- 1xFischergrube
- 1xSeetempel (Travemünde)
- 1xPriwal (Travemünde)
- 1xBadeanstalt von Herrn Asmussen
- 1xBurgfeld
- 1xSaal (Kurhauses in Travemünde)
- 1xKontor (Haus in der Fischergrube)
- 1xTrave
- 1xBalkon (Travemünde)
- 1xSchießbude (Kurgarten
- 1xGefängnis (Lübeck)
- 1xMövenstein (Travemünde)
- 1xAmsterdam
- 1xKopenhagen
- 1xGlasveranda (Kurhaus in Travemünde)
- 1xBurgtor
- 1xSchweizerhäuser (Travemünde)
- 1xJerusalemsberg
Zusammenfassung
Die Buddenbrooks verreisen inzwischen in der Regel nicht mehr im Sommer. Nur Gerda, Ida und Hanno fahren noch nach Travemünde, zur Förderung von Hannos Gesundheit. Für diesen haben die Sommerferien im Vergleich zur Schulzeit etwas paradiesisches, erinnern gar an eine Art Zuflucht, von deren unweigerlichem Ende er nichts wissen will.
Es ist der Tag nach der Ausgabe der Zeugnisse. Hanno wacht in seinem Zimmer nahe dem Kurhaus in Travemünde auf. Er gibt sich ganz dem Gedanken hin, dass er hier vier Wochen lang bleiben wird, weit weg von der Schule. Seine Brust zittert vor Glück. Er genießt die Stille und Abgeschiedenheit des Ortes, fernab aller Lehrer, die sich den dortigen Aufenthalt nicht leisten können. In einem Anfall von Freude springt er auf, öffnet das Fenster und blickt vergnügt auf die Landschaft und die friedvolle See. Den einzig negativen Aspekt der Sommerferien sieht er darin, dass die Tage so entsetzlich schnell vergehen. Umso mehr saugt er jeden Eindruck auf und findet alles verzückend.
Ein typischer Tag in Travemünde beginnt für Hanno vormittags am Strand. Dort genießt er das Meer und die Seeluft, die ihn in einen sanften Schwindel, eine gedämpfte Betäubung versetzen, die ihn Zeit und Raum vergessen lassen. Ohne die Söhne Hagenströms ist auch das Baden eine angenehme Erfahrung. Danach folgt ein Spaziergang, ein Imbiss, dann eine Stunde hinlegen und anschließend noch etwas mit den anderen Gästen essen. Nachfolgend kann man etwa zur Schießbude laufen, spazieren gehen oder nach Bernstein suchen. Am liebsten setzt er sich gegen Abend noch ans Meer und lauscht dem Rauschen der See. Mit gänzlich beruhigtem Herzen isst er dann zu Abend und lässt sich ins Bett fallen.
Gestört wird diese Ruhe nur an Sonntagen von den vielen Badegästen, die dann für einen Tag kommen. Nicht wenige davon bezeichnet Ida als Eintagsfliegen aus dem guten Mittelstand. Auch ist Hanno jedes mal froh, wenn Thomas wieder abreist, denn er bemerkt deutlich dessen kritisch forschende Blicke.
Nachdem die Hälfte der Ferientage rum sind, wird Hanno langsam nervös. Am liebsten würde er sich an jede noch verbliebene Stunde klammern. Nun wird auch das Wetter wechselhafter. Brütende Hitze, starker Wind und strömender Regen folgen aufeinander. Wenn Letzteres der Fall ist, spielt Hanno gerne mal auf dem Klavier im Kurhaus.
Die Tagen rinnen dahin und gegen Ende versucht er vergebens, sich selbst einzureden, dass noch viel Zeit übrig sei. So kommt schließlich der Moment, an dem er der See adieu sagen und abreisen muss. Wehmütig schaut er bei der Abfahrt aus dem Fenster der Kutsche. Bei dem Gedanken, dass er erst in einem Jahr zurückkommen wird, bricht er in Tränen aus. Der Urlaub am Meer hat ihn nicht gestärkt (wie es sich Thomas und Doktor Langhals erhofft hatten), sondern nur noch „viel weicher, verwöhnter, träumerischer, empfindlicher” gemacht. Das einzige was ihn aufmuntert, ist der Gedanke an Kai, an seine Klavierstunden und an sein Harmonium. Soweit möglich, will er die Erinnerungen an die See konservieren und von dieser träumen, wann immer das Leben mal wieder Übel mit ihm spielt.
Bald nach der Ankunft in Lübeck holen ihn wieder Angst und Langeweile ein, gemischt mit einer Sehnsucht nach der See. Gottholds Töchter und sogar Klothilda legen genüsslich den Finger in die Wunde. Trost findet er nur bei Kai und beim Musizieren.
Kurz nach der Rückkehr kommt der junge Doktor Langhals und untersucht Hanno eingehend, ist aber nicht sehr erfreut über die Ergebnisse. Hanno wirke noch immer recht betrübt. Dennoch ist er zuversichtlich, dass der positive Effekt der See schon noch einsetzen wird.
Bereitwilliges Verständnis für seine Sehnaucht nach Travemünde findet der Junge nur bei Tony. Diese schwärmt von ihrer Zeit dort, insbesondere von den Menschen, die sie dabei kennengelernt hat. Wieder erzählt sie davon, wie sie einst vergeblich versucht hat, an die Sterne in den Quallen zu kommen, indem sie diese in der Sonne getrocknet hat.
5. Kapitel 4
Erwähnte Personen
- 12xErika
- 9xHugo
- 8xElisabeth
- 5xTony
- 1xHerr von Maiboom
- 1xArmgard von Schilling
- 1xKonsul
Erwähnte Orte
- 3xWohnung am Lindenplatz
- 2xLübeck
- 1xLondon
- 1xMünchen
- 1xGefängnis (Lübeck)
- 1xGrünlichs Villa
- 1xHugos Zimmer (Wohnung am Lindenplatz)
- 1xDeutschland
- 1xHamburg
- 1xHaus in der Fischergrube
- 1xBahnhof (Lübeck)
Zusammenfassung
Anfang 1873 wird Hugo vorzeitig aus der Haft entlassen. Tony ist nicht allzu erfreut darüber und hätte es lieber, wenn alles so bleibt wie es ist. Sie lebt derzeit mit Erika und Elisabeth zusammen und hat ständigen Kontakt mit Thomas, Gerda, Hanno und Armgard von Schilling. Entsprechend hat sie kein Interesse daran, die Stadt noch einmal zu verlassen, damit Hugo woanders neu anfangen kann. Auch Erika zeigt sich nicht sehr begeistert davon, mit ihrem Mann wegzuziehen. Mit einer baldigen Trennung wird gerechnet.
Wieder zu Hause verhält sich Hugo völlig anders als vor Antritt der Haft. Er meidet andere Menschen und erscheint ratlos. Körperlich ist er gesund, doch nach den drei Jahren Gefängnis ist sein Geist gebrochen. Er war vor der Verurteilung selbst fest davon überzeugt, dass sein Handeln zwar keck, aber dennoch in der Geschäftswelt normal gewesen sei. Verurteilt wurde er dennoch, wodurch mit einem Schlag all sein Selbstbewusstsein zerstört wurde. Einige Tage nach seiner Entlassung erzählt er von einer Position, die ihm in London angeboten wurde. Um dies abzuklären reist er zunächst alleine ab. Kurz darauf teilt er aus Hamburg mit, dass er erst wieder von sich hören lassen will, wenn er im Stande ist, für seine Familie zu sorgen. Danach hört man nie wieder was von ihm. Vergeblich versucht Tony, ihn zwecks einer Scheidung zu kontaktieren.
6. Kapitel 5
Erwähnte Personen
- 38xThomas
- 26xHanno
- 22xGerda
- 16xLeutnant von Throta
- 5xIda
- 4xDoktor Langhals
- 4xFamilie Buddenbrook
- 2xFolgmädchen
- 2xKonsulin
- 2xJohann
- 1xBursche von Herr von Throta
- 1xLehrling aus dem Kontor
- 1xAndreas Pringsheim
- 1xArthur Schopenhauer
- 1xKonsul
Erwähnte Orte
- 8xHaus in der Fischergrube
- 5xSalon (Haus in der Fischergrube)
- 5xGarten (Haus in der Fischergrube)
- 5xLübeck
- 4xRauchzimmer (Haus in der Fischergrube)
- 4xKontor (Haus in der Fischergrube)
- 2xHaupttreppe (Haus in der Fischergrube)
- 2xDiele (Haus in der Fischergrube)
- 2xKorridor (Haus in der Fischergrube)
- 2xPavillon (Haus in der Fischergrube)
- 1xHannos Zimmer (Haus in der Fischergrube)
- 1xGalerie (Haus in der Fischergrube)
- 1xErdgeschoss (Haus in der Fischergrube)
- 1xPrivatbüro von Thomas (Haus in der Fischergrube)
- 1xRheinland
- 1xTreppenhaus (Haus in der Fischergrube)
- 1xCasino (Lübeck)
- 1xTerrasse (Haus in der Fischergrube)
- 1xStadtgarten (Lübeck)
- 1xZweites Stockwerk (Haus in der Fischergrube)
- 1xErstes Stockwerk (Haus in der Fischergrube)
- 1xIdas Zimmer (Haus in der Fischergrube)
- 1xFlur (Haus in der Fischergrube)
- 1xAnkleidekabinett (Haus in der Fischergrube)
- 1xAltan (Haus in der Fischergrube)
- 1xSchlafzimmer (Haus in der Fischergrube)
- 1xKlub
- 1xBörse (Lübeck)
- 1xZuckerbrennerei (Lübeck)
- 1xAmsterdam
- 1xEsszimmer (Haus in der Fischergrube)
Zusammenfassung
Die Ehe zwischen Thomas und Gerda ist immer ein wichtiges Gesprächsthema in der Stadt geblieben. Die beiden haben etwas Extravagantes an sich, die Ehe etwas Fragwürdiges. Vor 18 Jahren haben sie geheiratet. Thomas sagte damals „Diese oder keine” – es wirkte wie eine Liebesheirat. Die Menschen sehen aber nicht viel von dem, was sie unter Liebe verstehen. Stattdessen beobachten sie Höflichkeit, Vertrautheit, Kenntnis, Rücksicht und Nachsicht. Seit der Heirat hat sich daran nichts geändert. Der Altersunterschied zwischen den beiden wird aber immer auffälliger. Thomas wirkt alt und verfallen, Gerda hingegen genauso schön, vornehm und kalt wie eh und je. Andere nehmen sie als verschlossen, reserviert und ablehnend wahr, weswegen man ihr nicht recht über den Weg traut. Es wird vermutet, dass sie Thomas betrügt. Besonders ihre Beziehung zu Leutnant von Throta erweckt Verdacht.
Herr von Throta ist Sekondeleutnant bei einem Infanteriebataillon, das in der Stadt stationiert ist. Er ist gut aussehend, groß und stark. Sein Verhalten und seine Sprache sind jedoch sehr unmilitärisch, genauso wirken seine Augen eher unergründlich, glühend und schwärmerisch. Offenbar musste er gegen seinen Willen in die Armee. Die Interessen seiner Kameraden teilt er nicht. Er gilt unter diesen als extravagant und interessiert sich vor allem für die Musik. Von allen gut gestellten Familien besucht er fast nur die Buddenbrooks, was nicht nur den anderen Bürgern auffällt, sondern auch Thomas.
Dieser reagiert darauf aber nur mit einem Gefühl ohnmächtiger Frustration, welches er vor allen anderen versucht zu verbergen. Die Stadt witzelt inzwischen über ihn. Schon lange beobachtet er den zunehmenden Unterschied zwischen seinem Aussehen und Gerdas ewiger Schönheit. Nun kommt Throta ins Haus und er hat das Gefühl, dass ihm nichts anderes übrig bleibt, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, damit niemand von seiner Besorgnis erfährt. Gerda und Throta haben sich über die Musik kennengelernt. Inzwischen spielen sie regelmäßig stundenlang miteinander. Angst flößt es ihm ein, wenn die Instrumente schweigen und für längere Zeit Totenstille herrscht, als würden die beiden versuchen, etwas zu verheimlichen. Er sorgt sich um das Bild, das andere wohl von ihm entwickeln (er: alt, übel gelaunt; Gerda: schön und vergnügt sich mit dem Leutnant) und hat das Gefühl, zum Gespött der Leute zu werden. Die Geschehnisse seien das Ende von allem, sozusagen der letzte Todesstoß. Dieses pessimistisch-frustrierte Grämen lenkt ihn etwas von dem Gedanken daran ab, was die beiden in der Stille tun, sodass er sich geradezu in dieses hineinflüchtet.
An einem solchen Tag, während Throta zu Besuch ist und wieder Stille herrscht, verlässt Thomas ratlos sein Büro. Er überlegt, Gerda zur Rede zu stellen, doch tut man derartiges mit ihr schlicht nicht. Ihre Beziehung zu ihm basiert auf Verständnis, Rücksicht und Schweigen. Zudem befürchtet er, den bisher stillen Skandal offen werden zu lassen. Ohnehin empfindet er mehr Angst als Eifersucht bei der ganzen Sache. Kurz überlegt er, in den Salon einzutreten und das Schweigen zu brechen, da setzt die Musik wieder ein. Ziellos läuft er durchs Haus, voller „Scham und Gram, niedergedrückt und umhergetrieben von dieser Furcht vor dem heimlichen und dem öffentlichen Skandal”.
An einem anderen ähnlichen Tag steht Thomas im Treppenhaus, während wieder Stille im Salon herrscht. Hanno kommt vorbeigelaufen. Sie wechseln einige Worte über dessen Hausaufgaben, aber Thomas hört kaum zu. Plötzlich rutscht ihm im ängstlichen Tonfall die Beobachtung heraus, dass Gerda und Throta nun schon zwei Stunden lang alleine sind. Mitleidvoll richtet Hanno seine Augen auf Thomas. Alle Fremdheit und Kälte sind für einen Augenblick hinweggefegt. Wann immer es um Furcht und Leid geht, kann sich Thomas auf seinen Sohn verlassen. Das erfreut ihn aber nicht, nimmt er den Jungen doch in letzter Zeit besonders hart ran, da er mit 48 Jahren sein eigenes Ende bald kommen sieht
Thomas leidet zunehmend unter Appetit- und Schlaflosigkeit, Schwindel und Schüttelfrost. Seine Willenskraft ist durch jahrelange, gehetzte Tatenlosigkeit angegriffen. So schafft er es nicht, die Vorschläge von Doktor Langhals umzusetzen, was wiederum seine Selbstachtung weiter schwächt. Insbesondere gibt er das Rauchen nicht auf. Seine Kräfte schwinden, während seine Überzeugung wächst, bald zu sterben. Manchmal befällt ihn gar die wahnhafte Vorstellung, er wäre bereits nicht mehr am Leben. Entsprechend panisch versucht er, Hanno auf seine Aufgabe als Firmeninhaber vorzubereiten.
Trotz all dieser pessimistischen Gedanken fühlt er sich unreif und noch nicht bereit zu sterben. Er war nie so religiös wie seine Eltern und neigte eher der weltmännischen Art seines Großvaters Johann zu. Gleichzeitig hatte er aber auch einen etwas esoterischen Hang, den er damit befriedigte, daran zu glauben, dass er in seinen Vorfahren gelebt habe und in seinen Nachkommen leben werde. Das hat ihm während all der Jahre bei der Arbeit geholfen. Doch jetzt, kurz vorm Ende, bringt es ihm keine Beruhigung. Hanno ist zu schwächlich, als dass er – entsprechend seiner Vorstellungen – in diesem jung und stark weiterleben könnte. So wendet er sich letztlich von diesem ab, um neue Antworten für seinen Geist zu finden.
Es ist der Sommer 1874. Thomas verlässt jetzt häufiger mitten während der Arbeit das Kontor, um den Garten zu pflegen und zu grübeln. Mitunter setzt er sich in den Pavillon und starrt einsam vor sich hin, bevor ihn wieder die Rastlosigkeit befällt und er schnell noch alle Dinge regeln will, ehe sein Tod eintritt. Eines Tages sitzt er wieder im Pavillon und liest stundenlang in Arthur Schopenhauers Buch „Über den Tod”, welches er vor Urzeiten erworben hat. Mit tiefer Genugtuung glaubt er darin zu erfahren, dass sein jahrelanges, geheim gehaltenes Leiden an der Welt berechtigt gewesen sei Er versteht zwar nicht alle Aussagen des Buches, liest aber dennoch mit Begeisterung darin. Insbesondere für das Kapitel „Über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unseres Wesens an sich” verschlingt er geradezu. Nach dem Lesen fühlt er eine schwere, dunkle Trunkenheit. Seine Sinne sind benebelt und berauscht von etwas Neuem, Lockendem, fast wie bei einer Liebe. Verwirrt und nachdenklich verbringt er den restlichen Tag.
Am Abend fällt Thomas ins Bett und schläft drei Stunden lang so tief wie noch nie. Er wacht auf, alleine, denn Gerda schläft inzwischen in einem anderen Zimmer. Für einen kurzen Augenblick hat er das Gefühl zu verstehen, dass er nach dem Tod weiterleben werde und dass der Tod eher eine Berichtigung darstelle. Dieser sei ein Glück, „die Rückkunft von einem unsäglich peinlichen Irrgang, die Korrektur eines schweren Fehlers, die Befreiung von den widrigsten Banden und Schranken”. Nach dem Tod würden sich nur sein Körper und seine Persönlichkeit auflösen, welche ihn stets daran gehindert hätten, etwas besseres zu sein. Jedem Menschen seien in seinem Leben enge Schranken und Banden gesetzt, die er nicht überwinden könne. Der Tod bringe jedoch Freiheit. Immer sehne man sich nach dem was man nicht hat. Der Wille befähige einen jedoch dazu, alles zu tun, nur der Körper limitiere und trenne das Bewusstsein von dem der anderen Menschen. Man müsse daher den Willen befreien Es sei dumm gewesen, in Hanno weiterleben zu wollen. Vielmehr werde er in allen Menschen weiterleben, vor allem in denen, die kräftiger und fröhlicher seien als er. Der Tod sei der Weg, ihn von dem Wahn zu befreien, dass er nicht zugleich er selbst und auch alle anderen sei. In Wirklichkeit habe er nie das Leben gehasst, sondern nur sich selbst. Nach dem Tod werde ihn nichts mehr von den Glücklicheren trennen, die er immer geliebt habe. Die schmerzliche Süße dieser depressiven Gedanken lässt ihn in Tränen ausbrechen. Bereits jetzt fühlt er sich erlöst von den Banden und Schranken seines Lebens. Statt einer voranschreitenden Geschichte gebe es nur eine unendliche Gegenwart zu der er immer Zugang finden werde. Verwirrt, weinend und mit dem Glauben, immer weiterzuleben, schläft er ein. Zuvor nimmt er sich vor, mehr aus dem Buch zu lesen.
Am nächsten Morgen ist der depressive Schub vorüber und er schämt sich für die Gedanken der Nacht. Zudem nehmen ihn die Arbeit und seine täglichen Zwangshandlungen schnell wieder völlig in Anspruch, sodass er letztlich nie wieder dazu kommt, in dem Buch weiterzulesen. Zwischenzeitlich versucht er noch, in der Religion Trost zu finden, doch auch dies gibt er bald darauf auf. Dafür will er aber seine irdischen Angelegenheiten regeln und lässt daher einen Rechtsanwalt kommen, um sein Testament festzulegen.
7. Kapitel 6
Erwähnte Personen
- 29xThomas
- 20xChristian
- 15xAndreas Gieseke
- 13xGosch
- 12xPeter Döhlmann
- 5xAlfred Lauritzen
- 4xTony
- 3xDoktor Langhals
- 3xGroßkaufmann Kaßbaum
- 2xFiken Dahlbeck
- 2xKellner Schröder
- 1xVater von Andreas Gieseke
- 1xVater von Alfred Lauritzen
- 1xRieckchen Severin
- 1xPastor Trieschke
- 1xJohnny Thunderstorm
- 1xGotthold
- 1xFamilie Buddenbrook
- 1xHerr Permaneder
- 1xLope de Vegas
- 1xChristians Chef in Valparaiso
- 1xBüfettdame der Konditorei
- 1xMoritz Hagenström
- 1xMarcellus Stengel
- 1xFamilie Hagenström
- 1xJohann
- 1xSievert Tiburtius
- 1xGrünlich
- 1xGerda
- 1xHugo
Erwähnte Orte
- 4xLübeck
- 3xKurgarten (Travemünde)
- 2xTravemünde
- 2xKlub
- 2xKonditorei (Travemünde)
- 2xStrand (Travemünde)
- 2xSeetempel (Travemünde)
- 1xGroßkaufmann Kaßbaums Zelle (Gefängnis von Lübeck)
- 1xRatssaal (Lübeck)
- 1xMusiktempel (Travemünde)
- 1xKontor (Valparaiso)
- 1xBadeanstalt (Travemünde)
- 1xGefängnis (Lübeck)
- 1xMövenstein (Travemünde)
- 1xKontor von Peter Döhlmann
- 1xHaus in der Fischergrube
- 1xGlasveranda des Kurhauses (Travemünde)
Zusammenfassung
Gegen Ende September rät Doktor Langhals Thomas dazu, einen Erholungsurlaub in Travemünde zu machen. Christian klinkt sich kurzerhand mit ein, worüber Thomas nicht erfreut ist, doch sagt er auch nichts dagegen. Aufgrund seines gesundheitlichen Zustands hat Christian inzwischen alle kaufmännischen Tätigkeiten aufgegeben. Seine Qual habe zugenommen, die Schluckbeschwerden seien zurück und er habe eine merkwürdige Angst vor plötzlicher Lähmung. Ausführlich beschreibt er auch, wie er einmal drauf und dran gewesen sei, ein brennendes Streichholz in eine Spiritusflasche fallen zu lassen, wodurch das ganze Haus abgebrannt wäre. Inzwischen hat er auch einen bizarren Drang danach, aus offenen Fenstern zu springen, dem er nur schwer widerstehen kann. Zudem ist über die Jahre hinweg sein Taktgefühl noch schlechter geworden. Er erzählt am Tisch Anekdoten, die er sonst nur im Klub aussprechen dürfte. Vor Gerda zieht er gar sein Beinkleid hoch, um ihr zu zeigen, wie mager er geworden ist. Bei Regen fahren die beiden an die See. Thomas friert und wirkt so blass wie müde, während Christian offenbar aufmerksam seine Krankheiten beobachtet. Makler Gosch ist noch unter den Kurgästen, ansonsten sind fast alle bereits abgereist. Goschs Gesundheit ist angegriffen. Er ist freudlos, schläft nur noch wenig und seine Hände zittern stark.
Unaufhörlich regnet es, die ganze Welt erscheint wie in einen grauen Schleier gehüllt. An einem der Tage kommen Andreas Gieseke und Peter Döhlmann dazu. Sie setzen sich in die Konditorei und im Gespräch mit diesen zeigt sich Thomas nicht erfreut über die Wahl von Alfred Lauritzen zum Senator. Dieser sei nichts weiter als Mittelstand. Das gesellschaftliche Niveau des Senats sinke. Früher habe man noch mehr gebraucht als nur kaufmännischen Erfolg. Die Wahl von Herrn Lauritzen sei geschmacklos.
Wieder verschleiert der Regen die Aussicht und lässt die Männer träge werden. Sie plaudern gleichgültig über einen Betrugsskandal, nur um danach noch lustloser über das Geschäft zu reden. Peter Döhlmann erzählt, dass er kaum noch arbeitet. Alles Wichtige sei ohnehin in den Händen der Hagenströms. Auch Thomas kann von nichts Erfreulichem berichten. Genüsslich rekapituliert Christian seinen Chile-Aufenthalt, bei dem arbeiten eher die Ausnahme war.
Gosch will etwas trinken, verschüttet aber die Hälfte durch das Zittern seiner Hände. Dann erzählt Döhlmann von seiner Sucht nach einem Gebräu namens Hunyadi-János, ohne das er keinen Tag mehr übersteht. Permanent fällt der Regen, welcher sie öde und hoffnungslos stimmt. Eine allgemeine Todessehnsucht befällt die Herren. Schließlich entscheiden sie sich, zu gehen. Diesmal jedoch bezahlt nicht Gieseke Christians Getränk, sondern stattdessen Thomas.
Hin und wieder kommt Tony zu Besuch nach Travemünde. Bei den Spaziergängen mit ihrem Bruder zitiert sie munter Morten. Thomas beneidet sie dafür, nie etwas stumm heruntergeschluckt haben zu müssen. All ihren Kummer habe sie immer offen ausgesprochen, nie habe sie geschwiegen. Ihr Magen sei vielleicht geschwächt, aber ihr Herz leicht. Kein Erlebnis belaste sie dauerhaft. Die Erinnerungen an die diversen Personen, die ihr Leben negativ beeinflusst hätten, müssten sie nicht ständig bekümmern. Ihre Klagen über diese erfolgten eher bewusst, seien fast prahlend.
Tony steigt mit Thomas zum Seetempel hinauf, wo sie einst mit Morten saß. Gemeinsam schauen sie auf die See hinaus. Thomas ist fasziniert vom einfachen, beruhigenden und tröstenden Meer, dessen Wellen schier endlos aufeinander folgen. Früher habe er das Gebirge bevorzugt, aber heute sei es ihm zu unregelmäßig und willkürlich. Er fühle sich den Gebirgen unterlegen und bevorzuge die Einfachheit. In den Gebirgen müsse man Unternehmungslust, Festigkeit und Lebensmut beweisen, um von Gipfel zu Gipfel zu steigen. Aufs Meer jedoch schaue man fatalistisch, hoffnungslos und desillusioniert. Der Gesunde gehe ins Gebirge, der Kranke ans Meer. In der dortigen Einfachheit fände er Ruhe von der Wirrnes des Inneren. Tony schweigt nur, peinlich berührt, und schämt sich für ihren Bruder.
8. Kapitel 7
Erwähnte Personen
- 20xThomas
- 15xHerr Brecht
- 4xJosephus
- 2xStephan Kistenmaker
- 1xRatsdiener Uhlefeldt
- 1xEduard Kistenmaker
- 1xDienstmädchen von Herrn Brecht
Erwähnte Orte
- 4xRathaus (Lübeck)
- 3xWartezimmer (Praxis von Herrn Brecht)
- 3xHaus in der Fischergrube
- 2xKorridor (Praxis von Herrn Brecht)
- 2xOperationszimmer (Praxis von Herrn Brecht)
- 2xBreite Straße
- 2xMühlenstraße
- 1xBrunnen (Marktplatz in Lübeck)
- 1xStadtzentrum (Lübeck)
- 1xBörse (Lübeck)
- 1xSchänke (Fischergrube)
- 1xFischergrube
- 1xMarktplatz (Lübeck)
Zusammenfassung
Es ist ein Sonntag im Januar 1875. In den Straßen liegt schmelzender Schneematsch, überall ist es nass und dreckig, während der Himmel zartblau scheint. In den Straßen herrscht emsiges Treiben, überall wird verkauft und gehandelt. Seit knapp 45 Minuten hält der Senat eine Sitzung. Lange vor dessen Ende verlässt Thomas das Rathaus. Sichtlich plagen ihn starke Zahnschmerzen. Dennoch ist er bemüht, auf alle Vorbeikommenden nur den besten Eindruck zu machen. Unerwartet trifft er auf Stephan Kistenmaker, seinen Freund und Bewunderer, welcher sich inzwischen aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hat und nur noch von seinen Ersparnissen lebt. Thomas erzählt diesem, dass er schon seit dem vorherigen Tag unglaubliche Zahnschmerzen habe, gar minutenlang nichts mehr sehen könne und die Nacht über nicht geschlafen habe. Nun sei er auf dem Weg zu Herrn Brecht, dem Zahnarzt.
Dann geht er eilig weiter. Die Schmerzen der Entzündung des Backenzahns treiben ihm Tränen in die Augen. Schließlich erreicht er das Wartezimmer. Herr Brecht lässt sich Zeit, bevor er Thomas endlich in den Operationsraum bittet. Der Arzt verfärbt sich bei dem Gedanken an diesen schweren Fall. Er schaut sich das ganze kurz an und stellt dann fest, dass der Zahn gezogen werden muss. Thomas akzeptiert. Herr Brecht streicht eine scharf riechende Flüssigkeit auf das Zahnfleisch, setzt die Zange an, woraufhin drei bis vier Sekunden Schmerzen folgen. Die erwartete Erleichterung tritt danach für Thomas allerdings nicht ein. Stattdessen stellt Herr Brecht kreidebleich fest, dass die Krone gebrochen sei. Nun müsse die Wurzel gezogen werden, was viermaliges Ansetzen und Ziehen erfordere. Thomas lehnt eine Fortführung der Operation an diesem Tag ab. Der Zahnarzt schmiert noch etwas gegen die Schmerzen auf die Zähne, dann verlässt sein Patient die Praxis.
Kurz bevor er zu Hause angekommen ist, verspürt Thomas eine starke Übelkeit. Im nächsten Moment fällt er bewusstlos auf den Bürgersteig. Dort bleibt er in Dreck und Pfützen liegen, während das Blut langsam übers Pflaster fließt.
9. Kapitel 8
Erwähnte Personen
- 22xThomas
- 16xTony
- 14xGerda
- 9xDoktor Langhals
- 8xChristian
- 8xHanno
- 7xSchwester Leandra
- 3xGrabow
- 3xIda
- 2xKlothilda
- 1xHerr Marcus
- 1xFrau Stüwing
- 1xJustus Kröger
- 1xFolgmädchen
- 1xAndreas Pringsheim
- 1xFrauensperson
- 1xFriederike
- 1xFrau von Justus Kröger
- 1xHenriette
- 1xPfiffi
Erwähnte Orte
- 4xSchlafzimmer (Haus in der Fischergrube)
- 1xZweite Etage (Haus in der Fischergrube)
- 1xGerdas Schlafzimmer (Haus in der Fischergrube)
- 1xKlub
- 1xWohnzimmer (Haus in der Fischergrube)
- 1xKorridor (Haus in der Fischergrube)
- 1xHaupttreppe (Haus in der Fischergrube)
- 1xBurgtor
- 1xVorzimmer (Haus in der Fischergrube)
- 1xBreite Straße
- 1xDiele (Haus in der Fischergrube)
- 1xWindfang (Haus in der Fischergrube)
- 1xLübeck
Zusammenfassung
Hastig stürzt Tony die Haupttreppe des Hauses in der Fischergrube herauf. Sie will nicht glauben, was sie da gehört hat und plappert ängstlich vor sich hin. Gerda kommt ihr entgegen. Zornig, verstört und angewidert beklagt sie sich über Thomas' Aussehen als dieser ins Haus gebracht wurde: Dieses sei wie der blanke Hohn des Lebens gewesen, wo er doch immer so sehr auf sein Äußeres geachtet habe.
Gemeinsam gehen sie ins Schlafzimmer. Dort liegt Thomas, welcher gurgelnde Laute von sich gibt, mit gebrochenen und verdrehten Augen. Die Nachricht von seinem schlechten Zustand verbreitet sich bereits in der Stadt. Doktor Langhals wechselt Thomas' Verbände, während Hanno daneben sitzt und grüblerisch guckt, jedoch keine Träne vergießt. Stattdessen achtet dieser aufmerksam darauf, ob der Duft des Todes in der Luft liegt (wie einst vor der Beerdigung der Konsulin). Der Arzt ist machtlos, genauso wie Doktor Grabow, der extra persönlich herkommt. Tony begreift, dass mit Thomas' Tod zu rechnen ist. So dauert es nicht lange, bis Schwester Leandra einmal mehr hergebeten wird.
Tony fragt Doktor Langhals explizit, womit zu rechnen sei. Dieser kann jedoch keine definitive Antworten geben. Thomas könne morgen noch leben oder schon in einer Minute sterben. So schickt sie nach Pastor Pringsheim, der auch sofort herkommt und für einen schmerzlosen Tod betet.
Etliche Stunden vergehen. Dann schließlich gibt Thomas zwei, drei Schluchzer von sich und stirbt. Die einzig sichtbare Veränderung ist, dass sich seine Lippen nicht mehr bewegen. Seine Augen waren schon vorher tot. Tony wirft sich an das Bett ihres Bruders und beginnt, laut zu weinen. Damit erleichtert sie ihr Gewissen und kann anschließend bereits über die zu druckenden Todesanzeigen nachdenken. Christian kommt – erst spät, da er Angst vor dem grässlichen Anblick hatte. Krumm und geknickt steht er an Thomas' Bett. Dieser wirkt auf ihn kalt, ablehnend und mit verächtlichem Gesichtsausdruck. Thomas habe sich stumm ins Schweigen zurückgezogen und ihn mitleidlos zurückgelassen. Unparteiisch habe der Tod seinen Bruder zuerst geholt. Der Tod schaffe Respekt: Niemals habe er ihm mehr imponiert als in diesem Moment. Am Ende küsst er Thomas' Hand.
Noch am selben Abend sitzen Gerda, Tony, Christian und Hanno im Wohnzimmer, um die Todesanzeigen zu adressieren. Es herrscht Stille, die nur ab und zu durch Tonys Klagerufe gestört wird. Christian schafft es nicht, auch nur eine Träne zu vergießen, wenngleich er sich redliche Mühe gibt. Er fühlt sich blamiert, da Thomas als erstes gestorben ist, und ist zugleich abgenutzt von der vielen Selbstbeobachtung. Plötzlich stößt Hanno auf einen Namen dessen Klang er lustig findet und beginnt, hysterisch zu lachen. Die andere schauen ihn fassungslos an.
10. Kapitel 9
Erwähnte Personen
- 9xThomas
- 4xAndreas Pringsheim
- 3xTony
- 3xChristian
- 3xHanno
- 3xLeutnant von Throta
- 2xAnna
- 1xKutscher des Leichenwagens
- 1xHerr Wenzel
- 1xBertel Thorvaldsen
- 1xKonsulin
- 1xVerwandter aus Hamburg
- 1xGerda
- 1xHerr Brecht
- 1xIda
- 1xKonsul
- 1xHochgeschulter Lohndiener
Erwähnte Orte
- 5xHaus in der Fischergrube
- 2xTrave
- 2xWohnzimmer (Haus in der Fischergrube)
- 2xSalon (Haus in der Fischergrube)
- 2xHaupttreppe (Haus in der Fischergrube)
- 2xHaustür (Haus in der Fischergrube)
- 2xLübeck
- 1xVestibül (Haus in der Fischergrube)
- 1xTreppenhaus (Haus in der Fischergrube)
- 1xGrab der Buddenbrooks (Friedhof in Lübeck)
- 1xKorridor (Haus in der Fischergrube)
- 1xHamburg
- 1xFischergrube
- 1xSaal (Haus in der Fischergrube)
- 1xFriedhof (Lübeck)
- 1xDiele (Haus in der Fischergrube)
- 1xWindfang (Haus in der Fischergrube)
- 1xErker (Haus in der Fischergrube)
Zusammenfassung
Thomas' Tod hat sich in der Stadt herumgesprochen und nicht zuletzt wird darüber getratscht, wie es sein kann, dass jemand an einem Zahn stirbt. Pompöse Kränze und Palmwedel werden zu Ehren des Senators verschickt. Nicht zuletzt Annas Blumenladen macht damit gute Geschäfte, mehrmals am Tag muss sie Kränze zu den Buddenbrooks bringen. Bei einem dieser Besuche wird ihr erlaubt, Thomas zu sehen. Anna betritt den Salon, in dessen Zentrum der Sarg liegt, umringt von Blumen. Thomas Gesicht und vor allem seine Nase zeigen deutliche Verletzungen. Haare und Schnurrbart jedoch sind elegant frisiert. Anna bleibt erst entfernt stehen, wird dann von Tony näher gebeten. Bleich schaut sie auf Thomas herab. Sie bringt nicht mehr hervor als ein einziges kurzes Schluchzen, gepaart mit einem „Ja”. Dann geht sie wieder.
Tony liebt derartige Huldigungen ihres Bruders und ist bei diesen möglichst immer anwesend. Ihrem Willen nach soll das Begräbnis unglaublich vornehm werden. Zuvor lässt sie noch die ganze Belegschaft der Firma im Salon antanzen, um ihrem Chef die letzte Ehre zu erweisen – auch wenn die Beschäftigten selbst keinen rechten Sinn darin sehen.
Der Tag der Beisetzung beginnt im Haus in der Fischergrube, welches mit Menschen überfüllt ist. Pastor Pringsheim hält eine Rede und Leutnant von Throta lässt eine ganze Kompanie vor dem Haus aufmarschieren. Bei Wind und leichtem Schnee wird der Sarg zum Leichenwagen gebracht. Dann setzt sich der ganze Zug, bestehend aus Leichenwagen, etlichen Kutschen, Soldaten und anderen Trauernden, in Bewegung. Am Grab der Familie wird Thomas beigesetzt. Pastor Pringsheim hält noch eine zweite Rede, dann darf die Menge die Hände der Buddenbrooks schütteln und ihr Beileid bekunden.
11. Zitate aus Teil 10
Seite | Typ | Textstelle | Erläuterung / Notiz |
---|---|---|---|
S.610o-m | Zitat | Oftmals, wenn die trüben Stunden kamen, fragte sich Thomas Buddenbrook, was er eigentlich noch sei, was ihn eigentlich noch berechtige, sich auch nur ein wenig höher einzuschätzen als irgendeiner seiner (...) kleinbürgerlich beschränkten Mitbürger. Die phantasievolle Schwungkraft, der muntere Idealismus seiner Jugend war dahin. (...) Thomas Buddenbrook fühlte sich unaussprechlich müde und verdrossen. Was für ihn zu erreichen gewesen war, hatte er erreicht, und er wußte wohl, daß er den Höhepunkt seines Lebens, wenn überhaupt, wie er bei sich hinzufügte, bei einem so mittelmäßigen und niedrigen Leben von einem Höhepunkte die Rede sein konnte, längst überschritten hatte. |
Thomas' Depressionen haben ihn fest im Griff. Man beachte, wie geringschätzig er seine eigene Position in der Stadt beurteilt, obwohl man sogleich erfährt, dass er alles erreicht hat, was er theoretisch erreichen konnte (später heißt es gar, dass er noch immer die rechte Hand des Bürgermeisters ist).
|
S.612o | Notiz | ... Der Senator arbeitete jetzt meistens allein an dem großen Mahagonischreibtisch in seinem Privatbüro; erstens, weil dort niemand es sah, wenn er den Kopf in die Hand stützte und mit geschlossenen Augen grübelte, ... |
Selbstisolation und Grübelzwang sind beides typische Symptome von Depressionen.
|
S.613m-u | Notiz | ... Seine Toilette war so umständlich und dabei in der Reihenfolge ihrer Einzelheiten, von der kalten Dusche im Badezimmer bis zum Schluß, wenn das letzte Stäubchen vom Rocke entfernt war und die Bartenden zum letzten Male durch die Brennschere glitten, so fest und unabänderlich geregelt, daß die beständig wiederholte Abhaspelung dieser zahllosen kleinen Handgriffe und Arbeiten ihn jeden Augenblick zur Verzweiflung brachte. Dennoch hätte er es nicht vermocht, das Kabinett mit dem Bewußtsein zu verlassen, irgend etwas davon unterlassen oder nur flüchtig erledigt zu haben, aus Furcht, dieses Gefühls von Frische, Ruhe und Intaktheit verlustig zu gehen, das doch nach einer einzigen Stunde wieder verloren war und notdürftig erneuert werden mußte. ... |
Thomas' Verhalten ist letztlich identisch mit Waschzwang, nur eben übertragen auf Kleidung. (Auch bei zwanghaftem Waschen besteht die gesamte Prozedur in der Regel aus etlichen Unterprozeduren, die exakt eingehalten werden müssen, damit sich die Person am Ende sauber fühlt.)
|
S.614m - S.615o | Zitat | Wirklich! Thomas Buddenbrooks Dasein war kein anderes mehr als das eines Schauspielers, eines solchen aber, dessen ganzes Leben bis auf die geringste und alltäglichste Kleinigkeit zu einer einzigen Produktion geworden ist, einer Produktion, die mit Ausnahme einiger weniger und kurzer Stunden des Alleinseins und der Abspannung beständig alle Kräfte in Anspruch nimmt und verzehrt ... Der gänzliche Mangel eines aufrichtig feurigen Interesses, (...) die Verarmung und Verödung seines Inneren (...) verbunden mit einer unerbittlichen inneren Verpflichtung und zähen Entschlossenheit, um jeden Preis würdig zu repräsentieren, (...) hatte dies aus seinem Dasein gemacht (...). |
Thomas hat keinen Spaß mehr an seiner Arbeit und wirkt ihr gegenüber geradezu abgeneigt. Eigentlich müsste er die Konsequenz daraus ziehen und sich einer anderen Beschäftigung widmen oder zumindest eine Pause einlegen. Stattdessen zwingt er sich selbst dazu, weiterzumachen und bloß keinen negativen Eindruck aufkommen zu lassen. Naturgemäß endet das in Täuschung bzw. Schauspielerei. Es ist nicht schwer zu erahnen, dass dies mit der Zeit zu größeren Problemen führt (erst psychische, dann physische).
|
S.617m | Notiz | ... Diese Städtischen Anzeigen sind ein klägliches Blättchen! Ich lese sie ja auch, gewiß, weil eben meistens nichts anderes zur Hand ist ... Aber daß der Großhändler Konsul so und so seine silberne Hochzeit zu feiern gedenkt, finde ich meinesteils nicht allzu erschütternd. Man sollte andere Blätter lesen, die Königsberger Hartungsche Zeitung oder die Rheinische Zeitung. Da würde man ...« ... |
Tony zitiert hier Morten Schwarzkopf.
|
S.619u - S.620o | Notiz | ... und Fragen seines Vaters, ob er Lust zu seinem künftigen Berufe in sich verspüre, beantwortete er mit Ja ... einem einfachen, etwas scheuen Ja ohne Zusatz, das der Senator durch weitere drängende Fragen ein wenig lebhafter und ausführlicher zu machen suchte -- und zwar meistens vergebens. ... |
Hanno hat natürlich kein sonderliches Interesse daran, später die Leitung der Firma zu übernehmen bzw. Kaufmann zu werden. Er antwortet nur mit "Ja" auf Thomas' Nachfragen, da er Angst davor hat, dass sein Vater bei einer anderen Antwort wütend wird.
|
S.624m | Notiz | ... und mit dem Baden in der hölzernen Anstalt des Herrn Asmussen, ... |
Herrn Asmussens Badeanstalt wird hier auch nur mit "Anstalt" abgekürzt, genau wie Hanno und Kai ihre Schule stets "die Anstalt" nennen (in Anspielung auf eine Irrenanstalt).
|
S.626m | Notiz | ... »Willst du mitkommen, Hanno?« sagte er ein andermal ... »Ein neues Schiff, das zu unserer Reederei gehört, läuft heute nachmittag vom Stapel. Ich taufe es ... Hast du Lust?« Und Hanno gab an, daß er Lust habe. ... |
Hanno hat keine Lust, seinen Vater bei der Taufe zu begleiten (erkennbar nicht zuletzt an der Formulierung "gab an, ... habe"), sondern vermeidet lediglich eine negative Reaktion seines Vaters. (Eine devote Art zu handeln. Er geht dem Konflikt aus dem Weg.)
|
S.626u | Notiz | ... und da seine Gattin es vorzog, sich bei solchen Gelegenheiten mit Nervosität und Migräne zu entschuldigen, so forderte er Hanno auf, ihn zu begleiten. Und Hanno hatte auch hierzu Lust. ... |
Wie bereits zuvor hat Hanno auch zu den Besuchen bei den anderen wichtigen Familien sehr wahrscheinlich tatsächlich keine Lust, sondern sagt dies nur.
|
S.629u | Notiz | ... Niemals verstand es der kleine Johann, wie dieser oder jener Lehrer es über sich gewann, am Schlusse des Unterrichts Redewendungen laut werden zu lassen wie etwa: »Hier werden wir nach den Ferien fortfahren und zu dem und dem übergehen ...« Nach den Ferien! Er schien sich noch darauf zu freuen, dieser unbegreifliche Mann im blanken Kammgarnrock! Nach den Ferien! War das überhaupt ein Gedanke! So wundervoll weit in graue Ferne entrückt war alles, was jenseits dieser vier Wochen lag! ... |
Hanno verdrängt während der Ferien gezielt die Gedanken an den tristen Schulalltag. Dies unterstreicht seine sehr negative Wahrnehmung der Schule und seinen vermeidenden Charakter (schon das bloße Denken an die Schule bereitet ihm Schmerzen).
|
S.630u | Notiz | ... Nein, Gott sei gepriesen, hierher kam keiner der blanken Kammgarnröcke, die auf Erden Regeldetrie und Grammatik vertraten, hierher nicht, denn es war ziemlich kostspielig hier draußen ... ... |
Hanno lernt Geld als eine Art Schutzwall gegen negative Erfahrungen kennen (und genauso, dass es in erster Linie die ärmeren Leute sind, die ihm etwas antun wollen). Es ist anzunehmen, dass dies ein abgehobenes, dekadentes Verhalten fördert.
|
S.631m-u | Notiz | ... Es wurde auf dem Balkon oder unter dem großen Kastanienbaum gefrühstückt, der drunten vor dem Kinderspielplatze stand, dort, wo die große Schaukel hing ... |
todo: Stand in Thomas' Garten nicht auch exakt ein Kastanienbaum bei dem extra betont wurde, dass es nur einer ist?
|
S.632o | Notiz | ... eine gedämpfte Betäubung, in der das Bewußtsein von Zeit und Raum und allem Begrenzten still selig unterging ... |
todo: erinnert an Tony und Morten am Meer
|
S.633u | Notiz | ... Dann aber sagte Ida Jungmann: »Komm, Hannochen; müssen gehen; Abendbrotzeit; wirst dir den Tod holen, wenn du hier wirst schlafen wollen ...« ... |
Das sagt Ida zu Hanno, der am Strand sitzt und aufs Meer blickt. Es dürfte wohl metaphorische Bedeutung haben, im Sinne von "verlierst du dich nur dort, wo du dich am wohlsten fühlst, dann wird dir das langfristig kein Glück einbringen".
|
S.634o-m | Notiz | ... Eine Menge von Leuten aus der Stadt, die gar nicht hierher gehörten, »Eintagsfliegen aus dem guten Mittelstande«, wie Ida Jungmann sie mit wohlwollender Geringschätzung nannte, bevölkerte am Nachmittage Kurgarten und Strand, ... |
Diese abfällige Haltung gegenüber allen, die nicht reich sind, ist ein Anzeichen für Dekadenz.
|
S.636m | Notiz | ... =Die= blieben hier ... ... |
todo: Hat das Tony bei ihrer Abreise nicht auch gedacht?
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S.637o-m | Notiz | ... Er hatte, was er hatte. Er wollte sich der See und des Kurgartens erinnern, wenn alles wieder auf ihn einstürmte, und ein ganz kurzer Gedanke an das Geräusch, mit dem abends in der Stille die kleinen Wellen, weither, aus der in geheimnisvollem Schlummer liegenden Ferne kommend, gegen das Bollwerk geplanscht hatten, sollte ihn so getrost, so unberührbar gegen alle Widrigkeiten machen ... ... |
Erinnert an Tony, die sich ebenfalls immer an die frohen Erlebnisse in Travemünde erinnern wollte. Bei ihr klappte das aber offenbar besser als bei Hanno.
|
S.637u | Zitat | [Nach Hannos Rückkehr aus Travemünde:] Und langsam, langsam, mit heimlichen Tränen, lernte der kleine Johann wieder, die See zu missen, sich zu ängstigen und ungeheuerlich zu langweilen, stets der Hagenströms gewärtig zu sein und sich mit Kai, Herrn Pfühl und der Musik zu trösten. |
Der Urlaub in Travemünde, der Hanno eigentlich abhärten sollte, hat letztlich nichts gebracht. An seinem Charakter hat sich nichts geändert. In der Lübecker Welt ist Angst wieder die dominierende Emotion. Seine Freizeitbeschäftigungen dienen nicht nur der Unterhaltung, sondern auch der Verdrängung dieser Angst.
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S.637u - S.638o | Notiz | ... Die Damen Buddenbrook aus der Breiten Straße und Tante Klothilde richteten, sobald sie seiner ansichtig wurden, die Frage an ihn, wie nach den Ferien die Schule schmecke -- mit einem neckischen Blinzeln, das ein überlegenes Verständnis für seine Lage vorgab, und jenem sonderbaren Erwachsenen-Hochmut, der alles, was Kinder angeht, möglichst spaßhaft und oberflächlich behandelt; und Hanno hielt diesen Fragen stand. ... |
Man beachte, dass Klothilda hier Hanno ärgert. Sonst läuft dies gewöhnlich immer umgekehrt (Klothilda wird geärgert oder ausgelacht). Dies unterstreicht Hannos devoten Charakter. Selbst gegen die am niedrigsten gestellte Person kommt er nicht an.
|
S.645u | Zitat | Niemand ahnte, was in Thomas Buddenbrook vorging, niemand durfte es ahnen, und gerade dies: alle Welt über seinen Gram, seinen Haß, seine Ohnmacht in Unwissenheit zu erhalten, war so fürchterlich schwer! |
Thomas reagiert auf die mögliche Affäre zwischen Gerda und Leutnant von Throta mit frustrierter Ohnmacht. Das passt offensichtlich nicht mehr zu dem, was man vom Familienoberhaupt und Chef der Firma erwarten würde. Es erinnert an den alten Herrn Ratenkamp, der einst tatenlos zusah, wie seine Firma zusammenbrach (wird am Anfang des Buches erwähnt).
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S.646o-m | Notiz | ... und jetzt, seit Herr von Throta in sein Haus gekommen war, mußte er seine Besorgnis mit dem Rest seiner Kräfte bekämpfen und verstecken, mußte es, um nicht durch das Kundwerden dieser Besorgnis schon seinen Namen dem allgemeinen Lächeln preiszugeben. ... |
Thomas versucht geradezu zwanghaft, "die Dehors" zu wahren. Er meidet den öffentlichen Skandal um jeden Preis. Lieber macht er gute Miene zum bösen Spiel, als das irgendjemand bemerkt, dass er nicht perfekt gelaunt ist oder es Unstimmigkeiten in seiner Familie gibt.
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S.647u - S.648o | Zitat | Manchmal (...) sagte er [Thomas] sich, daß all dies das Ende von allem sei, und daß nur dies, was jetzt vorgehe, noch gefehlt habe. Ja, es hatte nur gefehlt, daß seine Person zum Gespött werde und sein Name, sein Familienleben in das Geschrei der Leute komme, damit allem die Krone aufgesetzt würde ... Aber dieser Gedanke tat ihm fast wohl, weil er ihm einfach, faßlich und gesund, ausdenkbar und aussprechbar erschien im Vergleich mit dem Brüten über diesem schimpflichen Rätsel, diesem mysteriösen Skandal zu seinen Häupten ... |
Diese Denke spiegelt den langsamen Abstieg der Buddenbrooks (genauso wie die Ratenkamps und die Krögers langsam abgestiegen sind). In der Tat wird das Verhalten Gerdas die letzte Demütigung vor Thomas' Tod sein. Dass der Gedanke daran ihm "fast wohl" tut hängt wohl mit der Alternative zusammen, welche der offene Konflikt mit Gerda wäre. Dieser erzeugt Angst bei ihm (etwa, da dies zum öffentlichen Skandal werden könnte und er stets bemüht ist, einen perfekten Eindruck bei allen zu machen). Es ist auch zu bedenken, dass er Depressionen hat und daher seine Art zu denken grundsätzlich verändert ist.
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S.649o | Zitat | Er ging über die Gesindetreppe ins Erdgeschoß hinab, (...) unfähig, irgendwo zur Ruhe zu kommen, horchend und lauernd, voll Scham und Gram, niedergedrückt und umhergetrieben von dieser Furcht vor dem heimlichen und vor dem öffentlichen Skandal ... |
Thomas ist besessen davon, den guten Eindruck zu wahren. Das macht es natürlich auch unmöglich, bestehende Konflikte zu lösen, sofern diese potenziell einen öffentlichen Skandal hervorrufen könnten.
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S.650u - S.651o | Notiz | ... Sein körperliches Befinden hatte sich verschlechtert. Appetit- und Schlaflosigkeit, Schwindel und jene Schüttelfröste, zu denen er immer geneigt hatte, zwangen ihn mehrere Male, Doktor Langhals zu Rate zu ziehen. Aber er gelangte nicht dazu, des Arztes Verordnungen zu befolgen. Seine Willenskraft, in Jahren voll geschäftiger und gehetzter Tatenlosigkeit angegriffen, reichte nicht aus dazu. ... |
Gerade Appetit-, Schlaf- und Antriebslosigkeit sind typische Symptome einer Depression.
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S.653o-m | Zitat | Und Thomas Buddenbrook wandte sich enttäuscht und hoffnungslos von seinem einzigen Sohne ab, in dem er stark und verjüngt fortzuleben gehofft hatte, und fing an, in Hast und Furcht nach der Wahrheit zu suchen, die es irgendwo für ihn geben mußte ... |
Thomas folgte dem Glauben, dass er in seinen Nachkommen weiterleben werde. Bei Betrachtung des schwachen Hannos und im Angesicht des bald erwarteten Todes bricht diese Hoffnung zusammen. Durch die Abwendung von Hanno gibt er letztlich auch die Familie auf, denn andere männliche Nachkommen gibt es nicht. Sein Verhalten wird hier vermutlich auch durch seine Depressionen beeinflusst sein, welche zu einer hoffnungslosen Grundstimmung und zur Selbstisolation führen.
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S.654m | Notiz | ... ein ziemlich umfangreiches, auf dünnem und gelblichem Papier schlecht gedrucktes und schlecht geheftetes Werk, der zweite Teil nur eines berühmten metaphysischen Systems ... ... |
Bei dem Buch handelt es sich um Arthur Schopenhauers Werk "Über den Tod".
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S.658o-m | Notiz | ... Irgendwo in der Welt wächst ein Knabe auf, gut ausgerüstet und wohlgelungen, begabt, seine Fähigkeiten zu entwickeln, gerade gewachsen und ungetrübt, rein, grausam und munter, einer von diesen Menschen, deren Anblick das Glück der Glücklichen erhöht und die Unglücklichen zur Verzweiflung treibt: -- Das ist mein Sohn. =Das bin ich=, bald ... bald ... sobald der Tod mich von dem armseligen Wahne befreit, ich sei nicht sowohl er wie ich ... ... |
Es hat eine gewisse Ironie, dass Thomas hier davon spricht, vom "armseligen Wahne" befreit zu werden, denn die meisten "normalen" Menschen würden wohl seine Schlussfolgerungen zu diesem Zeitpunkt unter Wahngedanken einordnen.
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S.663o | Notiz | ... Und Thomas Buddenbrook sagte Ja und Amen hierzu. Als aber die Seinen von dem Entschlusse erfuhren, erbot sich Christian, ihn zu begleiten. »Ich gehe mit, Thomas«, sagte er einfach. »Du hast wohl nichts dagegen.« Und obgleich der Senator eigentlich eine Menge dagegen hatte, sagte er abermals Ja und Amen. ... |
Sein doppeltes "Ja und Amen" deutet einen gewissen Fatalismus, etwas Resignation, etwas Ohnmacht und zudem Unterwürfigkeit an. Keine Eigenschaften, die zu einem Firmenoberhaupt passen, dafür aber zu einem Depressiven.
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S.667m | Notiz | ... »Aber das Niveau sinkt, ja, das gesellschaftliche Niveau des Senates ist im Sinken begriffen, der Senat wird demokratisiert, lieber Gieseke, und das ist nicht gut. Kaufmännische Tüchtigkeit tut es doch nicht so ganz, meiner Meinung nach sollte man nicht aufhören, ein wenig mehr zu verlangen. Alfred Lauritzen mit seinen großen Füßen und seinem Bootsmannsgesicht im Ratssaal zu denken, beleidigt mich ... ich weiß nicht, was in mir. Es ist gegen alles Stilgefühl, kurzum, eine Geschmacklosigkeit.« ... |
Thomas zeigt sich an dieser Stelle ähnlich abgeneigt gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen wie einst Herr Kröger. Diese sehr konservative Einstellung dürfte daher kommen, dass er spürt, langsam aber sicher von den Neuen verdrängt zu werden.
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S.670m | Zitat | [Peter Döhlmann:] »(...) Und Sie, Christian? Na, für Sie zahlt wohl Gieseke.« Hier aber belebte sich Senator Buddenbrook. Er hatte, in seinen Kragenmantel gehüllt, die Hände im Schoße und die Zigarette im Mundwinkel, fast ohne Teilnahme dagesessen; plötzlich aber richtete er sich auf und sagte scharf: »Hast du kein Geld bei dir, Christian? Dann erlaubst du, daß ich die Kleinigkeit auslege.« |
Bisher musste Andreas Gieseke immer für Christian bezahlen. Thomas begegnete seinem Bruder nur mit Verachtung und hätte dies wohl nur mit Widerwillen getan. Jetzt aber sind beide im hoffnungslosen Leid vereint - oder im Angesicht des Todes resigniert Thomas einfach und gibt seinen Widerstand gegen Christians Verhalten auf.
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S.670m-u | Notiz | ... Hie und da besuchte Frau Permaneder ihren Bruder. Dann gingen die beiden zum »Mövenstein« oder zum »Seetempel« spazieren, wobei Tony Buddenbrook aus unbekannten Gründen jedesmal in eine begeisterte und unbestimmt aufrührerische Stimmung geriet. Sie betonte wiederholt die Freiheit und Gleichheit aller Menschen, verwarf kurzerhand jede Rangordnung der Stände, ließ harte Worte gegen Privilegien und Willkür fallen und verlangte ausdrücklich, daß dem Verdienste seine Krone werde. ... |
Tony zitiert mal wieder Morten Schwarzkopf.
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S.670u - S.671o | Zitat | (...) [Tony] hatte, solange sie auf Erden wandelte, nichts, nicht das geringste hinunterzuschlucken und stumm zu verwinden gebraucht. Auf keine Schmeichelei und keine Beleidigung, die ihr das Leben gesagt, hatte sie geschwiegen. Alles, jedes Glück und jeden Kummer, hatte sie in einer Flut von banalen und kindisch wichtigen Worten, die ihrem Mitteilungsbedürfnis vollkommen genügten, wieder von sich gegeben. Ihr Magen war nicht ganz gesund, aber ihr Herz war leicht und frei (...) |
Tony spricht offen über ihre Probleme, beklagt sich über diese und weint, wenn ihr danach ist. Sie hat zwar viel erleben und verdauen müssen (daher der ständig angegriffene Magen), muss aber nichts dauerhaft mit sich rumschleppen (daher das reine Herz). Thomas ist da anders. Er geht jedem öffentlichen Skandal fast schon panisch aus dem Weg und ist ständig darauf bedacht, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Seine Probleme konnte er nie verarbeiten und so haben sich diese in seinem Herzen angesammelt.
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S.671m | Notiz | ... Was für Filous, Thomas, Gott wird sie strafen dereinst, =den= Glauben bewahre ich mir!« ... |
Tonys Glaube wirkt hier trotzig, fast wie von einem Kind. Es offenbart auch Hilflosigkeit, wenn ihr schon nichts anderes mehr übrig bleibt, als an die Gerechtigkeit nach dem Tod zu glauben.
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S.671u | Zitat | »Breite Wellen ...«, sagte Thomas Buddenbrook. »Wie sie daherkommen und zerschellen, daherkommen und zerschellen, eine nach der anderen, endlos, zwecklos, öde und irr. Und doch wirkt es beruhigend und tröstlich, wie das Einfache und Notwendige. Mehr und mehr habe ich die See lieben gelernt (...)« |
Es ist eine typische Fähigkeit von Depressiven, lange Zeit in die Landschaft (oder wie hier aufs Meer) starren zu können. Thomas' Gedanken passen gut dazu. Nach seinem anstrengenden Leben sehnt er sich nun nach beruhigender Einfachheit, wie sie vom monoton rauschenden Meer geboten wird.
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S.672o | Notiz | ... Was für Menschen es wohl sind, die der Monotonie des Meeres den Vorzug geben? Mir scheint, es sind solche, die zu lange und tief in die Verwicklungen der innerlichen Dinge hineingesehen haben, um nicht wenigstens von den äußeren vor allem eins verlangen zu müssen: Einfachheit ... ... |
todo: Erinnert vage an Nietzsches "Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." (aus Jenseits von Gut und Böse) (später spricht Thomas auch von der "Wirrnis der inneren [Dinge]")
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S.672m | Zitat | [Thomas:] »(...) Gesundheit und Krankheit, das ist der Unterschied. Man klettert keck in die wundervolle Vielfachheit der zackigen, ragenden, zerklüfteten Erscheinungen hinein, um seine Lebenskraft zu erproben, von der noch nichts verausgabt wurde. Aber man ruht an der weiten Einfachheit der äußeren Dinge [hier: am Meer], müde wie man ist von der Wirrnis der inneren.« | |
S.673m | Notiz | ... Man konnte sicher sein, etwas Frisches zu erhandeln, denn die Fische lebten fast alle noch, die fetten, muskulösen Fische ... Einige hatten es gut. Sie schwammen, in einiger Enge zwar, aber doch guten Mutes, in Wassereimern umher und hatten nichts auszustehen. ... |
Erinnert an Thomas' frühe Tage als Firmenchef, als er sich zwar durch die gesellschaftlichen Randbedingungen eingeschränkt fühlte, aber dennoch frohen Mutes agierte bzw. handelte.
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S.680m | Notiz | ... in großen, kleineren und immer kleineren konzentrischen Kreisen herumgeschwungen und schließlich mit einer unmäßigen, brutalen und erbarmungslosen Wucht gegen den steinharten Mittelpunkt dieser Kreise geschmettert ... ... |
Erinnert vage an Fontanes Gedicht "Ausgang":
Immer enger, leise, leise
Ziehen sich die Lebenskreise,
Schwindet hin, was prahlt und prunkt,
Schwindet Hoffen, Hassen, Lieben,
Und ist nichts in Sicht geblieben
Als der letzte dunkle Punkt.
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S.680m-u | Notiz | ... Da die Straße stark abfiel, befand sich sein Oberkörper ziemlich viel tiefer als seine Füße. Er war aufs Gesicht gefallen, unter dem sofort eine Blutlache sich auszubreiten begann. Sein Hut rollte ein Stück des Fahrdammes hinunter. Sein Pelz war mit Kot und Schneewasser bespritzt. Seine Hände, in den weißen Glacéhandschuhen, lagen ausgestreckt in einer Pfütze. ... |
Die Pose hat symbolische Bedeutung. Sein Körper ist nach unten hin ausgerichtet (genauso wie es für ihn im Leben bergab ging), seine sonst absolut reinliche Kleidung ist mit Schmutz bedeckt und seine Superfeinen Handschuhe liegen in einer Pfütze. Der Anfang seines Todes ereilt ihn auf unwürdige weise, wie eine letzte Demütigung.
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S.685o | Notiz | ... »Mach' End', o Herr«, sagte sie, und alles hörte ihr regungslos zu -- »mach' Ende mit aller seiner Not; stärk' seine Füß' und Hände und laß bis in den Tod ...« ... |
Der Gesang, den Tony trällert ist eine Strophe aus dem Kirchenlied "Befiehl du deine Wege" von Paul Gerhardt (von diesem stammen angeblich die Zwillinge Gerhardt ab), siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_geflügelter_Worte/M .
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S.685u | Zitat | Der Senator starb. Er schluchzte zwei- oder dreimal leise, verstummte und hörte auf, die Lippen zu bewegen. Das war die ganze Veränderung, die mit ihm vor sich ging; seine Augen waren schon vorher tot gewesen. |
Der Übergang vom Leben zum Tod ist bei Thomas bemerkenswert nahtlos. Offenbar wies sein Leben (oder zumindest sein Denken) schon zuvor keinen großen Unterschied mehr zum Tod auf. Dass er leise schluchzt könnte andeuten, dass er nicht allzu zufrieden war mit seinem Leben (vgl. hier auch Anna, die vor seiner Leiche ebenfalls exakt einmal schluchzt). Dass er erst gurgelnde Laute von sich gegeben hat und schließlich ganz verstummte unterstreicht seine Ohnmacht bzw. Unfähigkeit, auf das Leben um ihn herum noch Einfluss zu nehmen.
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S.689o | Zitat | An einem Zahne ... Senator Buddenbrook war an einem Zahne gestorben, hieß es in der Stadt. Aber, zum Donnerwetter, daran starb man doch nicht! Er hatte Schmerzen gehabt, Herr Brecht hatte ihm die Krone abgebrochen, und daraufhin war er auf der Straße einfach umgefallen. War dergleichen erhört? | |
S.693m-u | Notiz | ... Der kleine Johann stand in seiner dicken Seemannsjacke mit goldenen Knöpfen neben ihm, hielt seine bläulich umschatteten Augen zu Boden gesenkt, ohne irgend jemanden anzublicken, und neigte den Kopf mit einer empfindlichen Grimasse schräg rückwärts gegen den Wind. ... |
Dass er den Kopf mit einer Grimasse gegen den Wind neigt heißt wohl, dass er wieder versucht, den Duft des Todes zu riechen.
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12. Glossar zu Teil 10
Seite | Textstelle | Erläuterung / Übersetzung |
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S.614m | ... Geruch der Brillantine in seinem ... |
Ein Haarpflegeprodukt auf Öl-Basis (für mehr Glanz des Haars, eine natürlich liegende Frisur und Beruhigung der Kopfhaut), siehe Brillantine
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S.618o | ... entleibt habe. »Pekuniäre Bedrängnis scheint ... |
finanzielle (hier also komplett: "finanzielle Probleme"), siehe pekuniär
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S.620u | ... den dunkelblauen, bauschigen und gesteppten ... |
In weite, luftige Falten gelegt, siehe bauschig
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S.621o | ... Mengen verordnete: Lebertran, guter, gelber, ... |
Öl, welches aus der Leber diverser Fischarten gewonnen wird und unter anderem verschiedene Vitamine enthält, siehe Lebertran
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S.622o | ... das waren Arsenikpillen gewesen. Hanno ... |
Arsenik war eine Modedroge im 19. Jahrhundert, zugleich aber auch hochgiftig, siehe Arsenikesser
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S.624u | ... kamen im Schwimmbassin mit bedrohlichen ... |
Bassin: Ein künstlich angelegtes Wasserbecken in geometrischer Basisform (z. B. kreisrund), siehe Bassin)
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S.630m | ... Bette, dessen Linnen vor Alter ... |
Leintuch bzw. aus Flachs gefertigtes Gewebe, siehe Linnen
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S.668m | ... einer Flasche Aquavit zu, und ... |
Hochprozentige Spirituose, die nach Kümmel schmeckt, siehe Aquavit
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S.673o | ... in dem Azur zu flimmern ... |
Azur bzw. Azurblau ist ein Blauton, der auch als Himmelblau bezeichnet wird, siehe Azurblau
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S.680u | ... große, braune Muff gegen ihre ... |
Röhrenförmig zusammengenähtes Stück Pelz oder Strick, siehe Muff (Kleidung)
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S.685m | ... als das agonierende Gurgeln Thomas ... |
Agonie: Todeskampf, siehe Agonie
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S.690o | ... auf umflorten Postamenten, stand Thorwaldsens ... |
hier: kleine, aufwändig gestaltete Sockel, siehe Postament (Architektur)
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S.692m | ... Bewegung im Vestibül, des Leutnants ... |
Eine repräsentative Eingangshalle, siehe Vestibül
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S.693m | ... ein langwieriges Defilee. Christian Buddenbrook ... |
Ein feierliches Vorbeischreiten, siehe Defilee
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