1. Charakterisierung Josef K.
Josef K. ist die Hauptperson in Kafkas „Der Prozess”. Es ist nur sein Vorname bekannt, der Nachname wird nicht voll ausgeschrieben. Der abgekürzte Name erinnert etwas an einen Zeitungsbericht über einen Verbrecher. Er wird anonymisiert, es könnte sich um jedermann handeln.
Er ist offensichtlich sehr arbeitseifrig und karrierefreudig, fast schon als „Workaholic” einzustufen. Josef ist Prokurist bei einer Bank, hat also eine hohe Position inne und weitrechende Rechte. Erst der Prozess kommt ihm in die Quere und hat ganz offensichtlich negative Auswirkungen auf seine Karriere.
Seine Fixierung auf die Arbeit hinterlässt aber auch persönliche Spuren, bzw. wurde möglicherweise durch sein unausgeprägtes Sozialleben erst hervorgerufen. Er hat anscheinend keine Hobbies und trotz seiner hohen Position nur eine kleine Wohnung in einer Pension. Persönliche Beziehungen hat er kaum welche. So scheint es, als hätte jeder, dem er begegnet, irgendwelche Kontaktpersonen beim Gericht – nur er selbst hat keine. Freunde werden ebenfalls nicht erwähnt. Auch eine feste Partnerin hat er nicht. Stattdessen ist eine einfache Kellnerin seine Geliebte, die er aber bereitwillig gegen Leni eintauscht, sobald er die Gelegenheit dazu bekommt.
Genauso wie er zu Nicht-Verwandten keine oder nur oberflächliche Beziehungen pflegt, so ist auch sein Verhältnis zu den eigenen Verwandten zerrüttet. Sein Vater ist bereits gestorben, zu seiner Mutter hat er kaum noch Kontakt. Der Besuch des Onkels erschreckt ihn. Dennoch herrscht in der Familie anscheinend keine sonderliche Abneigung gegenüber ihm. So erwähnt der Onkel, dass Josef durch seinen Berufserfolg der Familie Ehre einbringt. Der Besuch des Onkels findet aber offensichtlich nicht aus Gründen der Zuneigung statt, sondern nur, da er von Josefs Strafprozess gehört hat und befürchtet, dass Josef durch diesen Prozess Schande über die Familie bringen könnte. Es sind also streng egoistische Motive, die den Onkel leiten. Ist daher vielleicht auch das Verhältnis zur Familie gespannt? Interessiert sich diese nur für Josefs beruflichen Erfolg, aber nicht für seine Gefühle? (Dies würde zu den Parallelen mite Kafka passen, siehe weiter unten in der Charakterisierung.)
Trotz seines beruflichen Erfolges wirkt Josef dementsprechend nur wenig bis gar nicht in die Gesellschaft integriert. Seine Beziehungen bleiben kurz und oberflächlich. Der Kontakt mit Frauen ist davon geprägt, in erster Linie körperlicher Natur zu sein.
Josef K. wird am Morgen seines dreißigsten Geburtstags verhaftet. Die Anklage wird nie erwähnt. Teilweise kann man aber Schuldgefühle bei Josef erkennen. So ist er kurz vor seiner Exekution der Überzeugung, dass er sich eigentlich selbst das Messer in den Bauch rammen müsste. Wofür er sich aber schuldig fühlt, das erfährt man ebenfalls nicht.
Zu Anfang nimmt Josef den Prozess nicht ernst. Im Laufe der Zeit ändert sich die Einstellung aber, wenngleich er diese Änderung nach außen hin zu verstecken versucht. Es ist offensichtlich, dass ihn der Prozess psychisch stark mitnimmt. Einmal bricht er in der Nähe der Kanzleien zusammen, ein andermal ist er kurz davor. Seine Konzentration bei der Arbeit lässt mit der Zeit stark nach, seine Müdigkeit steigt. Zumindest für einige Zeit gesteht er sich diesen Wandel aber selbst nicht ein und schiebt die Symptome auf körperliche Beschwerden. Möglicherweise kann man daraus schließen, dass er Probleme damit hat, die Signale seines eigenen Körpers zu deuten.
Das anfängliche Desinteresse mündet geradezu in eine Fixierung auf das Gericht. Diese macht sich aber schon in den Anfängen bemerkbar. So ist die zweite Vorladung vor Gericht nicht telefonisch durchgeführt worden – Josef ist freiwillig hingegangen, ohne jegliche Aufforderungen. Später wird diese Fixierung noch offensichtlicher, wenn der Gefängniskaplan sagt:
Zitat: Kaplan
Josef hätte anscheinend nie zum Gericht gehen müssen – er ist stets freiwillig hingegangen.Das Gericht will nichts von dir. Es nimmt dich auf, wenn du kommst und es entläßt dich, wenn du gehst.
Die Ähnlichkeiten im Verhalten zwischen Josef und dem Mann aus der Türhüterlegende sind daher hervorstechend. Auch der „Mann vom Lande” aus der Türhüterlegende hätte immer die Freiheit gehabt, sich von der Tür zu entfernen. Stattdessen hat er sich aber nur auf die Tür konzentriert und ist daran zugrunde gegangen.
Einen Tag vor seinem 31. Geburtstag wird Josef K. von zwei Wachen abgeholt und zu einem Steinbruch gebracht, wo er dann exekutiert wird.
In der Ignoranz gegenüber seinen eigenen Gefühlen, im Mangel an sozialen Beziehungen, in der vielen Arbeit, in der Fixierung auf das Gericht und in den immer wieder erwähnten Suizidgedanken kann man einen gewissen Hang zum selbstzerstörerischen Verhalten erkennen. Man kann spekulieren, dass nicht das Gericht von sich aus das Todesurteil über Josef ausgesprochen hat, sondern dass er durch sein Verhalten dieses Todesurteil geradezu erzwungen hat (auffällig ist an dieser Stelle auch, dass man das Todesurteil nicht vom Gericht selbst hört – er wird einfach eines Tages abgeholt).
Deutlich erkennbar sind die Parallelen zwischen Josef K. und Kafka. Dies beginnt schon im Nachnamen, der beide Male mit „K.” abgekürzt werden kann. Auch der Vorname ist jeweils genauso lang (Josef – Franz). Genauso wie Josef beschäftigt sich auch Franz Kafka intensiv mit dem Gesetz, da er Jurist ist und auch sein Verhältnis zur Familie ist zerrüttet. Beide Personen leiden ganz allgemein an einem Mangel an sozialen Beziehungen und beide Personen sind 30 Jahre alt (Josef zumindest am Anfang).
2. Charakterisierung Frau Grubach
Frau Grubach ist die Vermieterin der Pension in der Josef K. wohnt. Er spricht nur einmal nach seiner Verhaftung mit ihr.
3. Charakterisierung Fräulein Bürstner
Fräulein Bürstner ist die Nachbarin von Josef K. in der Pension. Am Abend nach seiner Verhaftung fängt Josef sie extra im Flur ab, um sich bei ihr für die Umstände zu entschuldigen, die seine Verhaftung gemacht hat. Nach einem kurzen Gespräch küsst er sie intensiv auf den Hals und auf das Gesicht. Es bleibt allerdings unklar, ob dies die ersten Annäherungsversuche sind, oder ob bereits eine längere Beziehung zwischen den beiden existiert. Man kann allerdings vermuten, dass eher ersteres der Fall ist.
4. Charakterisierung Josefs Onkel
Josef K. hat nicht sonderlich viel Kontakt zu seinem Onkel Karl. Nachdem dieser vom Prozess gehört hat, fährt er allerdings sogleich zu seinem Neffen und fragt ihn aufgebracht darüber aus. Während sich Josef zu diesem Zeitpunkt noch ruhig gibt und vermeintlich nur wenig über den Strafprozess nachdenkt, macht der Onkel keinen Hehl aus seiner Sorge. Er vermittelt auch schnellstmöglich den Kontakt zum Advokaten Huld, der Josef aber nur wenig weiterhilft.
Es wird ferner erwähnt, dass der Onkel „vom Land” kommt. Dementsprechend lässt sich vermuten, dass möglicherweise K.s restliche Familie ebenfalls von dort stammt, wodurch eine weitere Verbindung zur Türhüterlegende aufgebaut wird. Auch der Mann, der in dieser Legende erwähnt wird und der Zugang zum Gesetz haben will, stammt nämlich „vom Land”.
5. Charakterisierung Advokat Huld (Anwalt)
Hinweis: „Advokat” ist ein veralteter Begriff für „Anwalt”
Der Kontakt mit dem Armenadvokaten Huld kommt durch die Hilfe von Josefs Onkel Karl zustande. Der Anwalt ist ein alter Schulkollege von diesem. Bei einem Gespräch erklärt er sich dazu bereit, Josefs Fall zu übernehmen. Seine Verfassung ist allerdings schlecht: Durch eine Herzkrankheit ist er dazu gezwungen, im Bett zu bleiben und von dort aus zu arbeiten.
Im Laufe der Zeit wird Josef immer unzufriedener mit der Arbeit des Advokaten. Dieser schwärmt nur immer wieder von seinen großartigen Kontakten zu irgendwelchen schlecht gestellten Beamten und davon, dass die „erste Einreichung” für das Gericht in Arbeit und – bei jedem Treffen – kurz vor der Vollendung sei. Dazu hält er moralische Vorträge, stellt allerdings praktisch keine Fragen bezüglich Josefs Schuld, was diesen verwundert. Josef entzieht schließlich dem Anwalt die Verantwortung für seinen Fall.
Unklar bleibt dabei, wie viel der Anwalt tatsächlich hätte ausrichten können. Zwar ist beim ersten Treffen ein Beamter anwesend (der Kanzleidirektor), was auf Kontakte zum Gericht schließen lässt. Allerdings gibt es in der ganzen Zeit in Josefs Fall keine positiven Fortschritte. Stattdessen wird er immer nur vertröstet.
Möglicherweise versucht der Anwalt, Josefs Lage zu seinen finanziellen Gunsten auszunutzen. Möglicherweise braucht es aber auch tatsächlich einfach nur mehr Zeit und Geduld, um die Kontakte spielen zu lassen.
6. Charakterisierung Leni
Leni ist die Pflegerin des Advokaten Huld. Ihr genaues Alter wird nicht erwähnt, sie wird aber zunächst nur als „Mädchen” beschrieben, was darauf schließen lässt, dass sie noch äußerst jung ist.
Dennoch geht sie offensiv vor, um in Kontakt mit Josef zu kommen. Sie wirft extra einen Teller gegen die Wand und hofft, ihn so aus dem Raum herauszulocken, in dem auch sein Onkel Karl, der Advokat und der Kanzleidirektor sind.
Ihr Plan glückt und sie reden miteinander. Dabei stellt sich Leni als äußerst kontaktfreudig und neugierig heraus. Anscheinend hat auch sie bereits von Josefs Prozess erfahren und glaubt sogar, dessen Fehler zu kennen. Wie die meisten anderen hat sie ebenfalls Kontakte zum Gericht und will diese zugunsten Josefs nutzen.
Offen spricht sie mit ihm über seine Geliebte Elsa und versucht anscheinend, deren Position einzunehmen. Dabei fühlt sie sich nicht davon gestört, dass Elsa Josef kaum etwas bedeutet und dass sie ihm daher vermutlich genauso wenig bedeuten wird. Aggressiv küsst sie ihn, sodass man sich an Josefs Verhalten gegenüber Frau Bürstner (seine Nachbarin) erinnert fühlt. Leni zerrt ihn auf den Boden und es kommt zum sexuellen Kontakt.
Zitat: Leni
Zitat: Leni
Lässt Kafka hier vielleicht Leni genau das aussprechen, was man ihm schön öfter gesagt hat: Sei nicht so unnachgiebig, verfolg nicht deine eigenen Ziele, sondern tu einfach das, was dir dein Vater sagt. Dann hört auch der ständige Streit (in Josefs Fall der Prozess) auf. (Kafka hatte ein äußerst schlechtes Verhältnis zu seinem Vater.)(...) „Sie sind [vor Gericht] zu unnachgiebig, so habe ich es gehört.”
Zitat: Leni
(...) „stellen Sie aber Ihren Fehler ab, seien Sie nicht mehr so unnachgiebig, gegen dieses Gericht kann man sich ja nicht wehren, man muß das Geständnis machen. Machen Sie doch bei nächster Gelegenheit das Geständnis. Erst dann ist die Möglichkeit zu entschlüpfen gegeben, erst dann.”
7. Charakterisierung Elsa
Elsa ist Josef K.s Geliebte. Sie arbeitet am Abend und über die Nacht in einem Weinlokal als Kellnerin. Josef trägt gewöhnlich eine Fotografie von ihr bei sich. Gegenüber Leni beschreibt er sie als weder sanft noch sonderlich freundlich. Sie wisse nichts von seinem Prozess und würde sich wohl auch nicht dafür interessieren. Seine Beziehung zu ihr erscheint als eher locker bis oberflächlich, Josef liegt offenbar nicht sonderlich viel an ihr.
Elsa selbst tritt in dem Buch nicht auf. Sie wird nur erwähnt.
8. Charakterisierung Gerichtsmaler Titorelli
Josef erfährt vom Maler Titorelli eher zufällig über einen der Bankkunden. Er besucht ihn und versucht, mehr über das Gericht herauszufinden. Wie die meisten Charaktere hat offenbar auch Titorelli Kontakte zu einigen Mitgliedern des Gerichts und verspricht, Josef irgendwie zu helfen.
Der Maler erläutert, dass es drei Möglichkeiten gebe, den Prozess als freier Mann zu überstehen:
- Echter Freispruch: Das Gericht entscheidet von sich aus, den Angeklagten freizusprechen.
- Scheinbarer Freispruch: Hierbei müsste der Maler eine Musterformulierung eines Freispruches verwenden und gleichzeitig für Josefs Unschuld bürgen. Offenbar würde dies in den Bereich der Dokumentenfälschung hineinreichen. Dies durchzuführen würde hohe, aber dafür einmalige Anstrengungen benötigen.
- Verschleppung: Um einer Verurteilung zu entgehen kann man auch versuchen, auf Zeit zu spielen. Dazu müssten immer wieder neue Hinweise, Zeugen usw. ausgegraben bzw. erfunden werden, um so den Prozess am Laufen zu halten und ein endgültiges Urteil zu verhindern. Entsprechend hätte man dadurch einen niedrigen, aber dafür dauerhaften Aufwand und immer das Risiko, dass der Plan einmal fehlschlägt und es doch noch zu einem Urteil kommt.
Der Maler erwähnt weiterhin, dass es äußerst schwer sei, das Gericht von einer Unschuld zu überzeugen, wenn es erst einmal an die Schuld eines Angeklagten glaubt (Beweise sind hier offenkundig nicht entscheidend). Genau genommen sei dies sogar praktisch unmöglich und ein Urteil stehe in diesem Fall im Grunde schon fest.
9. Charakterisierung Gefängniskaplan
Hinweis: Unter einem Gefängniskaplan ist ein Gefängnispfarrer zu verstehen.
Viel wird über den Kaplan nicht bekannt. Er erwartet Josef K. in einem Dom, obwohl er zuvor als ein Kunde angekündigt wurde. Auch der Kaplan ist offensichtlich im Staatsdienst und weiß von Josefs Prozess. Am zweiten der beiden unten aufgeführten Zitate lässt sich erkennen, dass der Kaplan vermutlich den Sinn des Gerichts und des Prozesses kennt, diesen aber nur in Form von Rätseln weitergibt.
Er erzählt Josef die Türsteherlegende bzw. die Parabel „Vor dem Gesetz”, gibt aber keine klare Interpretation dazu. Stattdessen erwähnt er mehrere mögliche Interpretationen und verwirft diese sogleich wieder, möglicherweise um Josef zu verwirren. Unklar bleibt daher die konkrete Absicht hinter dem Treffen und die Aufgabe des Geistlichen.
Beim Herausgehen aus dem Dom verirrt sich Josef in der dunklen Kirche und der Kaplan ist es, der ihm den Weg aus dem Gebäude weist.
Seine wichtigsten Zitate sind:
Zitat: Kaplan
Zitat: Kaplan
Richtiges Auffassen einer Sache und Missverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.
Zitat: Kaplan
Das Gericht will nichts von dir. Es nimmt dich auf, wenn du kommst und es entläßt dich, wenn du gehst.
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