1. Hinweise
(Die nachfolgenden Hinweise sind praktisch identisch mit denen zur Übersetzung des ersten Aufzugs.)
Dieser Artikel enthält eine „Übersetzung” des zweiten Aufzugs von Iphigenie auf Tauris in modernes Deutsch. Die Übersetzung wurde — so gut es ging — Vers für Vers durchgeführt, sodass die einzelnen Verse jeweils in Goethe-Deutsch und in modernem Deutsch ungefährlich den gleichen Sinn haben sollten. Immer eingehalten werden konnte das nicht. Die Übersetzung hier ist als Vorschlag anzusehen. Sicherlich kann man einige Abschnitte anders übersetzen und vermutlich habe ich bei einigen auch nicht Goethes Intention getroffen (er macht es einem nicht gerade leicht...). Textstellen an denen ich mir besonders unsicher war und die daher mit besonderer Vorsicht zu genießen sind habe ich entsprechend markiert (etwa mit (unsicher) oder (?)). Grundsätzlich kann es auch bei den sonstigen Abschnitten nicht schaden, sich eine eigene Meinung zu bilden. Soweit dies sinnvoll erschien habe ich auch in den Versen zusätzlichen Text oder Wörter ergänzt (so wird z. B. des öfteren aus „Diane” „Göttin Diana”), sodass die Aussage klarer wird. Der Text kann (ohne die Übersetzung) bei gutenberg.org eingesehen werden.
2. 2. Aufzug, 1. Auftritt
Goethe-Deutsch | Modernes Deutsch |
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Orest. Es ist der Weg des Todes, den wir treten: Mit jedem Schritt wird meine Seele stiller. Als ich Apollen bat, das gräßliche Geleit der Rachegeister von der Seite Mir abzunehmen, schien er Hülf' und Rettung Im Tempel seiner vielgeliebten Schwester, Die über Tauris herrscht, mit hoffnungsreichen Gewissen Götterworten zu versprechen; Und nun erfüllet sich's, daß alle Noth Mit meinem Leben völlig enden soll. Wie leicht wird's mir, dem eine Götterhand Das Herz zusammendrückt, den Sinn betäubt, Dem schönen Licht der Sonne zu entsagen. Und sollen Atreus Enkel in der Schlacht Ein siegbekröntes Ende nicht gewinnen; Soll ich wie meine Ahnen, wie mein Vater, Als Opferthier im Jammertode bluten: So sei es! Besser hier vor dem Altar, Als im verworfnen Winkel, wo die Netze Der nahverwandte Meuchelmörder stellt. Laßt mir so lange Ruh, ihr Unterird'schen, Die nach dem Blut ihr, das von meinen Tritten Hernieder träufelnd meinen Pfad bezeichnet, Wie losgelass'ne Hunde spürend hetzt. Laßt mich, ich komme bald zu euch hinab; Das Licht des Tags soll euch nicht sehn, noch mich. Der Erde schöner grüner Teppich soll Kein Tummelplatz für Larven sein. Dort unten Such' ich euch auf: dort bindet alle dann Ein gleich Geschick in ew'ge matte Nacht. Nur dich, mein Pylades, dich, meiner Schuld Und meines Banns unschuldigen Genossen, Wie ungern nehm' ich dich in jenes Trauerland Frühzeitig mit! Dein Leben oder Tod Gibt mir allein noch Hoffnung oder Furcht. |
Orest: Wir werden bald sterben und ich finde mich mehr und mehr damit ab. Ich habe Apollon gebeten, mir die Rachegöttinnen (sogenannte Erinyen) vom Hals zu halten. Es wirkte so, als würde er mir helfen und er versprach, das mich im Tempel seiner Schwester, welche über die Insel Tauris herrscht, Schutz erwarten würde (?). Nun tritt es ein: Alle meine Sorgen spielen keine Rolle mehr, denn bald werde ich sterben. Ich bin nicht traurig darüber. Immerhin ist es der Wille einer Gottheit, dass es mir schlecht geht. Diese Gottheit verwirrt mich, macht mich unglücklich. Es ist mir egal, dass infolge meines Todes kein Enkel von Atreus je in der Schlacht einen großen Sieg erringen wird und es ist mir auch egal, dass ich wie mein Vater und wie meine anderen Vorfahren Opfer einen jämmerlichen Tod sterbe. Tja, so wird es geschehen. Aber das ist wohl besser so. Besser hier vor einem Altar, als heimlich von einem meiner Verwandten hinterrücks erdolcht zu werden. (Es ist der Fluch der Familie, dass sich die Familienmitglieder gegenseitig ermorden.) Nur bitte, Rachegöttinnen, lasst mir noch etwas Ruhe, auch wenn ihr euch nach dem Blut meiner Taten sehnt. Das Blut, von dem ich schon so viel vergossen habe... Wie Hunde folgt ihr dieser Blutspur! Lasst mich nur noch etwas in Ruhe. Ich komme bald ohnehin zu euch... Die Welt soll euch nicht sehen und ich bleib hier im Tempel. Die Welt ist so schön, beschmutzt sie nicht mit eurer Anwesenheit! Bald werde ich sterben und in die Unterwelt kommen. Dort werde ich euch aufsuchen. Dort werden wir dann bis in alle Ewigkeit bleiben. Pylades, es tut mir Leid, dass auch du mitkommen musst, obwohl du nicht einmal — wie ich — verflucht bist. Ich will dich wirklich nicht dahin mitnehmen müssen. Ich hoffe, dass du überlebst, diese Möglichkeit bringt mir Hoffnung. Doch ich habe Angst, sie sich nicht erfüllt und auch du sterben wirst. |
Pylades. Ich bin noch nicht, Orest, wie du bereit, In jenes Schattenreich hinabzugehn. Ich sinne noch, durch die verworrnen Pfade, Die nach der schwarzen Nacht zu führen scheinen, Uns zu dem Leben wieder aufzuwinden. Ich denke nicht den Tod; ich sinn' und horche, Ob nicht zu irgend einer frohen Flucht Die Götter Rath und Wege zubereiten. Der Tod, gefürchtet oder ungefürchtet, Kommt unaufhaltsam. Wenn die Priesterin Schon, unsre Locken weihend abzuschneiden, Die Hand erhebt, soll dein' und meine Rettung Mein einziger Gedanke sein. Erhebe Von diesem Unmuth deine Seele; zweifelnd Beschleunigest du die Gefahr. Apoll Gab uns das Wort: im Heiligthum der Schwester Sei Trost und Hülf' und Rückkehr dir bereitet. Der Götter Worte sind nicht doppelsinnig, Wie der Gedrückte sie im Unmuth wähnt. |
Pylades: Hey, du magst dich ja bereits mit deinem Schicksal abgefunden haben, aber ich will hier nicht sterben! Ich überlege noch, wie wir aus dieser Sache wieder rauskommen. Das ganze sieht zwar ziemlich schlecht aus, aber irgendeinen Weg zu überleben muss es ja geben. Ich denke nicht die ganze Zeit an den Tod. Stattdessen beobachte und überlege ich, um zu erkennen, ob es nicht doch einen Weg zur Flucht gibt, den die Götter uns eröffnet haben. Egal ob wir nun verzweifeln oder nach vorne bringen, das ändert an der geplanten Opferung nichts. Wenn die Priesterin schon unser Haar abschneidet — wie es der Brauch ist — und das Messer hebt, dann will ich, dass du dich einzig auf mögliche Wege zur Flucht konzentrierst! Reiß dich zusammen! Wenn du frustriert an den Hinweisen der Götter zweifelst, machst du alles nur noch schlimmer. Apollon hat es uns versprochen: „Im Heiligtum der Schwester werden ihr Trost und Hilfe, sowie eine Möglichkeit zur Rückkehr finden.” Es ist eindeutig was er damit meinte, auch wenn du in deiner Panik da jetzt sonstwas reininterpretierst. Hinweis: Die beiden denken, dass Apollon mit „Schwester” seine eigene Schwester, also die Göttin Diana, meinte. Tatsächlich meinte Apollon aber Iphigenie, die die Schwester von Orest ist. |
Orest. Des Lebens dunkle Decke breitete Die Mutter schon mir um das zarte Haupt, Und so wuchs ich herauf, ein Ebenbild Des Vaters, und es war mein stummer Blick Ein bittrer Vorwurf ihr und ihrem Buhlen. Wie oft, wenn still Elektra, meine Schwester, Am Feuer in der tiefen Halle saß, Drängt' ich beklommen mich an ihren Schoos, Und starrte, wie sie bitter weinte, sie Mit großen Augen an. Dann sagte sie Von unserm hohen Vater viel: wie sehr Verlangt' ich ihn zu sehn, bei ihm zu sein! Mich wünscht' ich bald nach Troja, ihn bald her. Es kam der Tag — |
Orest: Mit allen meinen schlechten Eigenschaften wurde ich bereits geboren. Als ein Ebenbild meines Vaters bin ich aufgewachsen. (?) Häufig saß meine Schwester Elektra in unserem Haus am Feuer und ich bei meiner Mutter. Ich sah sie dann an und sah wie sie weinte. Sie erzählte dann von unserem großartigen Vater sodass ich mir mehr und mehr wünschte, ihn zu sehen. Am Ende wünschte ich mir gar, dass er zu Hause und ich an seiner Stelle in Troja sei. Dann kam der Tag — |
Pylades. O laß von jener Stunde Sich Höllengeister nächtlich unterhalten! Uns gebe die Erinnrung schöner Zeit Zu frischem Heldenlaufe neue Kraft. Die Götter brauchen manchen guten Mann Zu ihrem Dienst auf dieser weiten Erde. Sie haben noch auf dich gezählt; sie gaben Dich nicht dem Vater zum Geleite mit, Da er unwillig nach dem Orcus ging. |
Pylades: Lass uns nicht darüber reden was dann passierte. Darüber unterhält sich schon die Unterwelt. Lass uns lieber an die besseren Tage denken! Das gibt uns neue Kraft. Auch die Götter brauchen gute Männer auf der Erde, die für sie Dienste erledigen können. Offenbar haben sie noch etwas mit dir vor. Denn sonst wärst du wohl eher mit deinem Vater zusammen gestorben. |
Orest. O, wär' ich, seinen Saum ergreifend, ihm Gefolgt! |
Orest: Ich wünschte ich wäre auch gestorben, wäre ihm in den Tod gefolgt. |
Pylades. So haben die, die dich erhielten, Für mich gesorgt: denn was ich worden wäre, Wenn du nicht lebtest, kann ich mir nicht denken; Da ich mit dir und deinetwillen nur Seit meiner Kindheit leb' und leben mag. |
Pylades: Du bist aber in eine andere Familie gekommen und hast damit auch mir geholfen, denn ich wüsste gar nicht was ohne dich aus mir geworden wäre. Schließlich sind wir gemeinsam seit unserer Kindheit groß geworden. |
Orest. Erinnre mich nicht jener schönen Tage, Da mir dein Haus die freie Stätte gab, Dein edler Vater klug und liebevoll Die halberstarrte junge Blüthe pflegte; Da du ein immer munterer Geselle, Gleich einem leichten bunten Schmetterling Um eine dunkle Blume, jeden Tag Um mich mit neuem Leben gaukeltest, Mir deine Lust in meine Seele spieltest, Daß ich, vergessend meiner Noth, mit dir In rascher Jugend hingerissen schwärmte. |
Orest: Oh, bitte erinnere mich nicht an diese schöne Zeit. Damals, als ich im Haus deiner Familie wohnte, mit deinem klugen und liebevollen Vater, der sich in dieser schweren Zeit um mich kümmerte. Damals, als deine muntere Art mich fröhlich machte, obwohl ich schon so traurig war. Du hast mir neues Leben geschenkt, mich nach vorne blicken lassen. So vergaß ich meine Probleme und genoss meine Jugendzeit. |
Pylades. Da fing mein Leben an, als ich dich liebte. |
Pylades: Mein Leben fing mit unserer tiefen Freundschaft erst richtig an! |
Orest. Sag: meine Noth begann, und du sprichst wahr. Das ist das Ängstliche von meinem Schicksal, Daß ich, wie ein verpesteter Vertriebner, Geheimen Schmerz und Tod im Busen trage; Daß, wo ich den gesund'sten Ort betrete, Gar bald um mich die blühenden Gesichter Den Schmerzenszug langsamen Tod's verrathen. |
Orest: Die Wahrheit ist, dass irgendwann das Unglück über mich hereinbrach. (?) Es ist mein Schicksal, wie ein Ausgestoßener, wie ein Vertriebener, nur noch Trauer und Verzweiflung zu fühlen. Selbst hier an diesem heiligen Ort befürchte ich, dass ich die anderen mit meinem Schmerz und meiner Trauer anstecken werde. |
Pylades. Der Nächste wär' ich diesen Tod zu sterben, Wenn je dein Hauch, Orest, vergiftete. Bin ich nicht immer noch voll Muth und Lust? Und Lust und Liebe sind die Fittige Zu großen Thaten. |
Pylades: Nun, dann müsste ich das ja als erstes zu spüren bekommen, wenn deine Trauer wirklich so ansteckend wäre. Dafür wirke ich aber wohl noch recht fröhlich, oder? Freude und Liebe, das ist es was man braucht, um große Taten zu vollbringen. |
Orest. Große Thaten? Ja, Ich weiß die Zeit, da wir sie vor uns sahn! Wenn wir zusammen oft dem Wilde nach Durch Berg' und Thäler rannten und dereinst An Brust und Faust dem hohen Ahnherrn gleich Mit Keul' und Schwert dem Ungeheuer so, Dem Räuber auf der Spur zu jagen hofften; Und dann wir Abends an der weiten See Uns aneinander lehnend ruhig saßen, Die Wellen bis zu unsern Füssen spielten, Die Welt so weit, so offen vor uns lag; Da fuhr wohl Einer manchmal nach dem Schwert, Und künft'ge Thaten drangen wie die Sterne Rings um uns her unzählig aus der Nacht. |
Orest: Große Taten? Ja, ich kann mich noch erinnern wie wir davon träumten. Damals, als wir Kinder waren und das Wild durch Berge und Täler jagten. Als wir uns vorstellten, berühmte Krieger zu sein und mit Keulen und Schwertern, Räuber zu verfolgen. Damals, als wir abends aufs Meer blickten, als wir einfach ruhig am Strand saßen, als wir die Wellen an unseren Füßen spürten. Vor uns schien ein unentdecktes Land voller Möglichkeiten zu liegen. Manchmal griff einer von uns nach dem Schwert und große Taten schienen vor uns zu liegen. |
Pylades. Unendlich ist das Werk, das zu vollführen Die Seele dringt. Wir möchten jede That So groß gleich thun, als wie sie wächs't und wird, Wenn Jahre lang durch Länder und Geschlechter Der Mund der Dichter sie vermehrend wälzt. Es klingt so schön was unsre Väter thaten, Wenn es in stillen Abendschatten ruhend Der Jüngling mit dem Ton der Harfe schlürft; Und was wir thun ist, wie es ihnen war, Voll Müh' und eitel Stückwerk! So laufen wir nach dem, was vor uns flieht, Und achten nicht des Weges den wir treten, und sehen neben uns der Ahnherrn Tritte Und ihres Erdelebens Spuren kaum. Wir eilen immer ihrem Schatten nach, Der göttergleich in einer weiten Ferne Der Berge Haupt auf goldnen Wolken krönt. Ich halte nichts von dem, der von sich denkt Wie ihn das Volk vielleicht erheben möchte. Allein, o Jüngling, danke du den Göttern, Daß sie so früh durch dich so viel gethan. |
Pylades: Große Dinge zu tun, etwas zu bewegen, dazu treiben uns unsere Gefühle an! Wir möchten jede große Tat am liebsten auf der Stelle tun. Genauso so wie man sie sich erzählt, nach Jahren der Mund-zu-Mund-Verbreitung durch verschiedene Länder und Familien, genau so unglaublich wie sie bei Dichtern klingt. Wir schauen zu den Taten unserer Vorfahren hinauf, zu den Taten, die man sich an Abenden gegenseitig erzählt. Wie wir diese Ziele aber erreichen erfolgt genauso wie bei unseren Vorfahren: Nur mit großer Mühe, ganz langsam, Schritt für Schritt. Wir jagen unseren Zielen hinterher vergessen alles andere und erkennen nicht, dass die Vorfahren, die wir so beneiden, einst genau den selben Weg gegangen sind. Wir versuchen, ihre überlieferten Erfolge ihnen nachzumachen. Die Erfolge, die so unerreichbar scheinen, die so unglaublich auf uns wirken. Ich halte nichts von Leuten, die ihren Ruhm von ihrem Volk aufbauen lassen. (?) Du solltest dankbar dafür sein, dass die Götter schon so früh so viel durch dich bewirkt haben! |
Orest. Wenn sie dem Menschen frohe That bescheren Daß er ein Unheil von den Seinen wendet, Daß er sein Reich vermehrt, die Gränzen sichert, Und alte Feinde fallen oder fliehn; Dann mag er danken! denn ihm hat ein Gott Des Lebens erste, letzte Lust gegönnt. Mich haben sie zum Schlächter auserkoren, Zum Mörder meiner doch verehrten Mutter, Und, eine Schandthat schändlich rächend, mich Durch ihren Wink zu Grund' gerichtet. Glaube, Sie haben es auf Tantals Haus gerichtet, Und ich, der Letzte, soll nicht schuldlos, soll Nicht ehrenvoll vergehn. |
Orest: Wenn du Götter einem dabei helfen, große Taten zu vollbringen, z. B. dabei, die Untertanen und die Familie vor Unglück zu bewahren oder etwa dabei, das eigene Königreich zu vergrößern, die Grenzen zu sichern und Feinde zu besiegen, dann sollte man dafür dankbar sein. Denn die Götter haben einem ein großartiges Gefühl gegönnt. Mich aber haben sie dazu auserkoren, ein Mörder zu sein. Mich haben sie dazu gebracht, meine eigene Mutter umzubringen! Ich habe damit ihre schlimmen Taten gerächt, aber mich selbst zugleich zu Grunde gerichtet. Ich glaube, dass die Götter den Fluch über die ganze Familie von Tantalos ausgesprochen haben und nun soll auch ich, der letzte der übrig ist, ebenfalls unehrenhaft sterben. |
Pylades. Die Götter rächen Der Väter Missethat nicht an dem Sohn; Ein jeglicher, gut oder böse, nimmt Sich seinen Lohn mit seiner That hinweg. Es erbt der Eltern Segen, nicht ihr Fluch. |
Pylades: Die Götter bestrafen nicht die Kinder von Verbrechern. Jeder — egal ob gut oder schlecht — kriegt nur das was er sich selbst verdient hat. Nur der Segen der Eltern wird veerbt, nicht aber Flüche. |
Orest. Uns führt ihr Segen, dünkt mich, nicht hierher. |
Orest: Na der Segen meiner Eltern wird uns wohl kaum in diesen Tempel gebracht haben... |
Pylades. Doch wenigstens der hohen Götter Wille. |
Pylades: Nein, aber dafür der Wille der Götter. |
Orest. So ist's ihr Wille denn, der uns verderbt. |
Orest: Dann ist es wohl der Wille der Götter, dass wir geopfert werden. |
Pylades. Thu' was sie dir gebieten und erwarte. Bringst du die Schwester zu Apollen hin, Und wohnen beide dann vereint zu Delphi, Verehrt von einem Volk das edel denkt; So wird für diese That das hohe Paar Dir gnädig sein, sie werden aus der Hand Der Unterird'schen dich erretten. Schon In diesen heil'gen Hain wagt keine sich. |
Pylades: Tu was dir die Götter aufgetragen haben und hab etwas Geduld! Apollon sagte etwas in der Art: Du sollst die Schwester zu ihm bringen und wenn dann beide gemeinsam in Delphi wohnen und von einem guten Volk verehrt werden, dann wird dir das hohe Paar dafür sehr dankbar sein und sie werden dich vom Einfluss der Rachegöttinnen befreien. Siehst du: Schon jetzt, in dieser Baumgruppe, ist keine von ihnen hier. |
Orest. So hab' ich wenigstens geruh'gen Tod. |
Orest: Wunderbar, dann kann ich ja zumindest in Ruhe sterben... |
Pylades. Ganz anders denk' ich, und nicht ungeschickt Hab' ich das schon Geschehne mit dem Künft'gen Verbunden und im stillen ausgelegt. Vielleicht reift in der Götter Rath schon lange Das große Werk. Diana sehnet sich Von diesem rauhen Ufer der Barbaren Und ihren blut'gen Menschenopfern weg. Wir waren zu der schönen That bestimmt, Uns wird sie auferlegt, und seltsam sind Wir an der Pforte schon gezwungen hier. |
Pylades: Nun das sah ich aber sehr viel anders. Ich hab mal gedanklich alles etwas sortiert und darüber nachgedacht. Vielleicht ist ja alles Teil eines großen Plans, vielleicht will die Göttin Diana ja von dieser Insel runter. Immerhin opfern diese Barbaren noch Menschen. Nun könnten sie ja uns dazu auserwählt haben, ihr dabei zu helfen, weswegen wir nun in ihrem Tempel gelandet sind. |
Orest. Mit seltner Kunst flichtst du der Götter Rath Und deine Wünsche klug in Eins zusammen. |
Orest: Ich glaube, dass du da die Absichten der Götter und deine Wünsche über einen Haufen wirfst. |
Pylades. Was ist des Menschen Klugheit, wenn sie nicht Auf Jener Willen droben achtend lauscht? Zu einer schweren That beruft ein Gott Den edeln Mann, der viel verbrach, und legt Ihm auf was uns unmöglich scheint zu enden. Es siegt der Held, und büßend dienet er Den Göttern und der Welt, die ihn verehrt. |
Pylades: Man stellt sich ungeschickt an, wenn man nicht genau auf die Zeichen der Götter achtet. Wenn es um die Erfüllung schwieriger Aufgaben geht, dann wählen die Götter dafür Menschen, die viel verbrochen haben, aber im Kern gut sind. Sie verlangen von ihnen, was unmöglich scheint, doch der Held erfüllt was von ihm verlangt wird und dient damit nicht nur den Göttern, sondern erreicht auch großen Ruhm. |
Orest. Bin ich bestimmt zu leben und zu handeln, So nehm' ein Gott von meiner schweren Stirn Den Schwindel weg, der auf dem schlüpfrigen, Mit Mutterblut besprengten Pfade fort Mich zu den Todten reißt. Er trockne gnädig Die Quelle, die, mir aus der Mutter Wunden Entgegen sprudelnd, ewig mich befleckt. |
Orest: Falls ich dazu bestimmt bin, zu leben und große Taten zu begehen, dann sollte eine Gottheit mich befreien, befreien von der Trauer, die mich seit dem Mord an meiner Mutter erfüllt und die mich dem Tod Stück für Stück näher bringt. Und er sollte die Schuld hinwegfegen, die ich seit diesem Mord mit mir herumtrage und mit der ich bis in alle Ewigkeit leben muss. |
Pylades. Erwart' es ruhiger! Du mehrst das Übel Und nimmst das Amt der Furien auf dich. Laß mich nur sinnen, bleibe still! Zuletzt, Bedarf's zur That vereinter Kräfte, dann Ruf' ich dich auf, und beide schreiten wir Mit überlegter Kühnheit zur Vollendung. |
Pylades: Beruhig dich bitte. Wenn du dich selbst beschimpfst verstärkst du deine Trauer nur noch. Lass mich das Denken übernehmen und beruhig dich so lange, ja? Wir werden mit vereinten Kräften handeln müssen, wenn wir aus dieser Sache wieder heil rauskommen wollen. Wenn es an der Zeit dazu ist werde ich es dir sagen. Dann werden wir planvoll aber dennoch mutig unsere Aufgabe erfüllen. |
Orest. Ich hör' Ulyssen reden. |
Orest: Spiel ruhig den Odysseus... |
Pylades. Spotte nicht. Ein jeglicher muß seinen Helden wählen, Dem er die Wege zum Olymp hinauf Sich nacharbeitet. Laß es mich gestehn: Mir scheinen List und Klugheit nicht den Mann Zu schänden, der sich kühnen Thaten weiht. |
Pylades: Mach dich nicht über mich lustig! Jeder muss nunmal einen Helden als Vorbild haben, dem er nacheifern kann. Ich sage es ganz offen: Planvoll und taktisch vorzugehen hat noch niemanden geschadet, der große Taten vollbringen will. |
Orest. Ich schätze den, der tapfer ist und g'rad. |
Orest: Ich schätze Menschen, die tapfer und direkt sind. |
Pylades. Drum hab' ich keinen Rath von dir verlangt. Schon ist ein Schritt gethan. Von unsern Wächtern Hab' ich bisher gar vieles ausgelockt. Ich weiß, ein fremdes, göttergleiches Weib Hält jenes blutige Gesetz gefesselt; Ein reines Herz und Weihrauch und Gebet Bringt sie den Göttern dar. Man rühmet hoch Die Gütige; man glaubet, sie entspringe vom Stamm der Amazonen, sei geflohn, Um einem großen Unheil zu entgehn. |
Pylades: Na deshalb habe ich ja auch nicht nach deiner Meinung gefragt. Ich habe jedenfalls bereits begonnen zu handeln. Den Wachen konnte ich schon so manch interessante Information entlocken. Ich weiß zum Beispiel, dass hier eine fremdartige, aber dennoch bemerkenswerte Frau arbeiten soll, die auch die Opferungen durchführt (? evt. eher: die bisher die Opferungen verhindert hat). Sie soll ein reines Herz haben, Weihrauch verteilen und viel beten. Man bringt ihr hier viel Achtung entgegen, sie soll gutmütig sein und man vermutet, dass sie eine Amazone sei. Sie soll aus ihrer Heimat geflohen sein, da sie dort sonst irgendein Unheil erwartet hätte. |
Orest. Es scheint, ihr lichtes Reich verlor die Kraft Durch des Verbrechers Nähe, den der Fluch Wie eine breite Nacht verfolgt und deckt. Die fromme Blutgier lös't den alten Brauch Von seinen Fesseln los, uns zu verderben. Der wilde Sinn des Königs tödtet uns; Ein Weib wird uns nicht retten, wenn er zürnt. |
Orest:
Bisher mag ihr Handeln vorbildlich gewesen sein, aber durch meine bloße Nähe — durch die Nähe des Verbrechers — wird sich das ändern. Der Fluch lastet auf mir so sehr, dass er schon andere erfasst. In den Menschen hier wächst nun wieder die Gier nach Blut und bewirkt, dass der alte Brauch der Opferungen wieder eingeführt wurde. Das ist unser Verderben. Die Wut des Königs ist unser Tod. Eine einfache Frau kann uns nicht davor beschützen. |
Pylades. Wohl uns, daß es ein Weib ist! denn ein Mann, Der beste selbst, gewöhnet seinen Geist An Grausamkeit und macht sich auch zuletzt Aus dem, was er verabscheut, ein Gesetz, Wird aus Gewohnheit hart und fast unkenntlich. Allein ein Weib bleibt stät auf Einem Sinn Den sie gefaßt. Du rechnest sicherer Auf sie im Guten wie im Bösen. — Still! Sie kommt; laß uns allein. Ich darf nicht gleich Ihr unsre Namen nennen, unser Schicksal Nicht ohne Rückhalt ihr vertraun. Du gehst, Und eh' sie mit dir spricht, treff' ich dich noch. |
Pylades: Zum Glück ist es eine Frau! Stell dir vor es wäre ein Mann: Selbst der gutmütigste hätte sich bereits an die Grausamkeiten der Welt gewöhnt. Er würde diese als unausweichlich betrachten und wäre am Ende wohl vom Leben so abgehärtet, dass er alle Ideale verloren hätte. Eine Frau aber bleibt bei dem was sie sich in den Kopf gesetzt hat. Sei es eine gute oder eine schlechte Meinung, sie wird sie nicht wechseln. Wir müssen jetzt still sein. Sie kommt. Ich werde mit ihr alleine reden. Unsere Namen sag ich ihr besser nicht sofort, wer weiß schon, ob wir ihr vertrauen können. Geh jetzt besser. Bevor sie mit dir redet werde ich dich noch mal treffen. |
3. 2. Aufzug, 2. Auftritt
Goethe-Deutsch | Modernes Deutsch |
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Iphigenie. Woher du seist und kommst, o Fremdling, sprich! Mir scheint es, daß ich eher einem Griechen Als einem Scythen dich vergleichen soll. (Sie nimmt ihm die Ketten ab.) Gefährlich ist die Freiheit, die ich gebe; Die Götter wenden ab was euch bedroht! |
Iphigenie (zu Pylades): Sag mir woher du kommst, Fremder! Mir scheint es, dass du eher ein Grieche als ein Skythe bist. (Iphigenie nimmt ihm die Ketten ab.) Die Freiheit, die ich euch gebe, ist gefährlich, aber die Götter werden euch beschützen. |
Pylades. O süße Stimme! Vielwillkommner Ton Der Muttersprach' in einem fremden Lande! Des väterlichen Hafens blaue Berge Seh' ich Gefangner neu willkommen wieder Vor meinen Augen. Laß dir diese Freude Versichern, daß auch ich ein Grieche bin! Vergessen hab' ich einen Augenblick, Wie sehr ich dein bedarf, und meinen Geist Der herrlichen Erscheinung zugewendet. O sage, wenn dir dein Verhängniß nicht Die Lippe schließt, aus welchem unsrer Stämme Du deine göttergleiche Herkunft zählst. |
Pylades: Wunderbar! Endlich jemand, der meine Sprache spricht. Ich sehne mich nach meiner Heimat und habe nun Hoffnung, dass ich sie wiedersehen werde. Ich bin übrigens ebenfalls ein Grieche. Für einen Augenblick hatte ich schon vergessen wie sehr ich auf dich angewiesen bin und stattdessen dein Aussehen bestaunt (?). Wenn es dir nichts ausmacht würde ich gerne wissen aus welchen Stamm du kommst. |
Iphigenie. Die Priesterin, von ihrer Göttin selbst Gewählet und geheiligt, spricht mit dir. Das laß dir g'nügen; sage, wer du seist Und welch unselig-waltendes Geschick Mit dem Gefährten dich hierher gebracht. |
Iphigenie: Ich bin die Priesterin und wurde von der Göttin Diana selbst ausgewählt für dieses Amt. Das muss genügen. Jetzt sag mir wer du bist und was für ein Unglück dich und deinen Gefährten auf diese Insel verschlagen hat. |
Pylades. Leicht kann ich dir erzählen, welch ein Übel Mit lastender Gesellschaft uns verfolgt. O könntest du der Hoffnung frohen Blick Uns auch so leicht, du Göttliche, gewähren! Aus Kreta sind wir, Söhne des Adrasts: Ich bin der jüngste, Cephalus genannt, Und er Laodamas, der älteste Des Hauses. Zwischen uns stand rauh und wild Ein mittlerer, und trennte schon im Spiel Der ersten Jugend Einigkeit und Lust. Gelassen folgten wir der Mutter Worten, So lang des Vaters Kraft vor Troja stritt; Doch als er beutereich zurücke kam Und kurz darauf verschied, da trennte bald Der Streit um Reich und Erbe die Geschwister. Ich neigte mich zum ält'sten. Er erschlug Den Bruder. Um der Blutschuld willen treibt Die Furie gewaltig ihn umher. Doch diesem wilden Ufer sendet uns Apoll, der Delphische, mit Hoffnung zu. Im Tempel seiner Schwester hieß er uns Der Hülfe segensvolle Hand erwarten. Gefangen sind wir und hierher gebracht, Und dir als Opfer dargestellt. Du weißt's. |
Pylades: Ich werde dir gerne erzählen was für ein Unglück uns hierher geführt hat. Ich wünschte mir nur, es würde dir genauso leicht fallen, uns mit etwas Hoffnung anzusehen, Priesterin. Wie dem auch sei, wir stammen aus Kreta und sind die Söhne von Adrast. Ich bin Cephalus, der Jüngste in der Familie. Mein Bruder ist Laodamas, er ist der älteste. Wir hatten noch einen weiteren Bruder. Mit diesem hatten wir schon in der Kindheit unsere Probleme. Wir haben unserer Mutter gehorcht, solange unser Vater in Troja kämpfte. Doch kurz nachdem er mit reicher Beute zurückgekehrt war ist er gestorben. Von da an entrannte ein Streit um die Erbschaft. Ich stellte mich auf die Seite des ältesten Bruders, also auf die meines Gefährten. Dieser tötete schließlich den mittleren. Die Schuld lässt ihn nun nicht mehr los. Apollon sendete uns auf diese Insel, und machte uns Hoffnung, dass wir im Tempel seiner Schwester, Hilfe finden würden. Nun sind wir gefangen und damit deine Opfer. Das war die Geschichte. Anmerkung: Der Teil zu ihrer Abstammung und wer wen getötet haben soll war gelogen. |
Iphigenie. Fiel Troja? Theurer Mann, versichr' es mir. |
Iphigenie: Wurde Troja wirklich von den Griechen erobert? Bitte versichere es mir. |
Pylades. Es liegt. O sichre du uns Rettung zu! Beschleunige die Hülfe, die ein Gott Versprach. Erbarme meines Bruders dich. O sag' ihm bald ein gutes holdes Wort; Doch schone seiner wenn du mit ihm sprichst, Das bitt' ich eifrig: denn es wird gar leicht Durch Freud' und Schmerz und durch Erinnerung Sein Innerstes ergriffen und zerrüttet. Ein fieberhafter Wahnsinn fällt ihn an, Und seine schöne freie Seele wird Den Furien zum Raube hingegeben. |
Pylades: Es ist fest in griechischer Hand. Nun versprich du uns bitte deine Unterstützung! Apollon hat uns hier Rettung versprochen. Hilf dabei, dass wir sie finden! Habe Mitleid mit meinem Bruder. Sei freundlich zu ihm, und schon ihn etwas. Bitte! Er ist sehr aufgewühlt, sodass ihn bereits kleine Freuden, Schmerzen und Erinnerungen aus der Bahn werfen können. Er wird dann ganz wahnsinnig und all seine Ruhe ist wieder dahin. |
Iphigenie. So groß dein Unglück ist, beschwör' ich dich, Vergiß es, bis du mir genug gethan. |
Iphigenie: Nun, auch wenn euch bereits viel zugestoßen ist, musst du dafür schon ein bisschen mehr bieten. (?) |
Pylades. Die hohe Stadt, die zehen lange Jahre Dem ganzen Heer der Griechen widerstand, Liegt nun im Schutte, steigt nicht wieder auf. Doch manche Gräber unsrer Besten heißen Uns an das Ufer der Barbaren denken. Achill liegt dort mit seinem schönen Freunde. |
Pylades:
Troja hielt zehn Jahre lang der Belagerung durch das gesamte griechische Heer stand. Nun liegt die Stadt in Schutt und Asche und wird nie wieder zu ihrer alten Größe aufsteigen. Doch einige unserer besten Soldaten sind dort gestorben. Ihr Tod lässt uns den Feldzug nie vergessen. Auch Achilles und sein Freund sind in Troja begraben. |
Iphigenie. So seid ihr Götterbilder auch zu Staub! |
Iphigenie: Selbst unsere Helden, die wie Götter wirkten, sind gestorben! |
Pylades. Auch Palamedes, Ajax Telamons, Sie sahn des Vaterlandes Tag nicht wieder. |
Pylades: Auch Palamedes und Ajax Telamon sind im Krieg gefallen. |
Iphigenie. Er schweigt von meinem Vater, nennt ihn nicht Mit den Erschlagnen. Ja! er lebt mir noch! Ich werd' ihn sehn! O hoffe, liebes Herz! |
Iphigenie: Er hat nicht den Namen meines Vaters genannt. Vielleicht lebt er noch! Ich könnte ihn wiedersehen! Das sind großartige Neuigkeiten! |
Pylades. Doch selig sind die Tausende, die starben Den bittersüßen Tod von Feindes Hand! Denn wüste Schrecken und ein traurig Ende Hat den Rückkehrenden statt des Triumphs Ein feindlich aufgebrachter Gott bereitet. Kommt denn der Menschen Stimme nicht zu euch? So weit sie reicht, trägt sie den Ruf umher Von unerhörten Thaten die geschahn. So ist der Jammer, der Mycenens Hallen Mit immer wiederholten Seufzern füllt, Dir ein Geheimniß? Klytämnestra hat Mit Hülf' Ägisthens den Gemahl berückt, Am Tage seiner Rückkehr ihn ermordet! — Ja, du verehrest dieses Königs Haus! Ich seh' es, deine Brust bekämpft vergebens Das unerwartet ungeheure Wort. Bist du die Tochter eines Freundes? bist Du nachbarlich in dieser Stadt geboren? Verbirg es nicht und rechne mir's nicht zu, Daß ich der Erste diese Gräuel melde. |
Pylades: Tausende haben im Kampf um Troja ihren ehrenvollen Tod gefunden. Doch auf die Rückkehrenden warteten Schrecken und ein trauriges Ende statt des erhofften Triumphs, da ein Gott wütend war. Erreichen euch denn hier gar keine Nachrichten? Das ist doch allseits bekannt geworden. Die Taten, die dort geschehen sind... Hast du denn nicht gehört, was in den Hallen Mycens (?) geschehen ist, was noch heute seine Nachwirkungen hat? Weißt du wirklich nichts davon? Klytämnestra hat mit Hilfe ihres Liebhabers Ägisth ihren Mann Agamemnon am Tag seiner Rückkehr ermordet. Ja, du verehrst dieses Königshaus! Ich kann sehen, wie dich diese Nachricht aufregt. Bist du vielleicht die Tochter von einem Freund? Bist du in der Stadt geboren? Nun sag schon — und laste mir jetzt bitte nicht an, dass ich dir diese schrecklichen Nachrichten überbracht habe. |
Iphigenie. Sag' an, wie ward die schwere That vollbracht? |
Iphigenie: Wie wurde er umgebracht? |
Pylades. Am Tage seiner Ankunft, da dir König Vom Bad erquickt und ruhig, sein Gewand Aus der Gemahlin Hand verlangend, stieg, Warf die Verderbliche ein faltenreich Und künstlich sich verwirrendes Gewebe Ihm auf die Schultern, um das edle Haupt; Und da er wie von einem Netze sich Vergebens zu entwickeln strebte, schlug Ägisth ihn, der Verräther, und verhüllt Ging zu den Todten dieser große Fürst. |
Pylades: Am Tag seiner Ankunft ist der König aus dem Bad gestiegen, und bat seine Frau um Kleidung. Diese jedoch warf ein Netz über seinen Kopf. Er versuchte, sich aus dem Netz zu befreien, doch vergebens. Gleichzeitig wurde er von Ägisth geprügelt. So schlug der elendige Verräter auf ihn ein bis der König schließlich gestorben ist. |
Iphigenie. Und welchen Lohn erhielt der Mitverschworne? |
Iphigenie: Was bekam Ägisth als Belohnung dafür? |
Pylades. Ein Reich und Bette, das er schon besaß. |
Pylades: Nur das Königreich und die Frau, die er sowieso schon besaß. |
Iphigenie. So trieb zur Schandthat eine böse Lust? |
Iphigenie: Er und Klytämnestra taten es also aus Gier? |
Pylades. Und einer alten Rache tief Gefühl. |
Pylades: Auch aus Rache. |
Iphigenie. Und wie beleidigte der König sie? |
Iphigenie: Rache? Was hatte der König ihnen getan? |
Pylades. Mit schwerer That, die, wenn Entschuldigung Des Mordes wäre, sie entschuldigte. Nach Aulis lockt' er sie und brachte dort, Als eine Gottheit sich der Griechen Fahrt Mit ungstümen Winden widersetzte, Die ält'ste Tochter, Iphigenien, Vor den Altar Dianens, und sie fiel Ein blutig Opfer für der Griechen Heil. Dieß, sagt man, hat ihr einen Widerwillen So tief in's Herz geprägt, daß sie dem Werben Ägisthens sich ergab und den Gemahl Mit Netzen des Verderbens selbst umschlang. |
Pylades: Mit einer sehr schwerwiegenden Tat, die den Rachewunsch gut begründete. (?) Der König hatte die Flotte nach Aulis gesteuert, doch eine Gottheit war ihm nicht wohlgesonnen. Diese Gottheit unterbrach die Fahrt der Flotte mit stürmischen Winden. Daher brachte der König seine älteste Tochter Iphigenie vor den Altar der Diana und ließ sie dort opfern, um die Gottheit zu beruhigen und so die Weiterfahrt zu ermöglichen. Diese Tat soll solche Wut bei Klytämnestra ausgelöst und in ihr Herz eingebrannt haben, dass sie sich mit Ägisth verbündet hat und ihren Ehemann nach seiner Rückkehr umbrachte. |
Iphigenie (sich verhüllend). Es ist genug. Du wirst mich wiedersehn. |
Iphigenie (sich verhüllend): Das ist genug. Du wirst mich wiedersehen. |
Pylades (allein). Von dem Geschick des Königs-Hauses scheint Sie tief gerührt. Wer sie auch immer sei, So hat sie selbst den König wohl gekannt Und ist, zu unserm Glück, aus hohem Hause Hierher verkauft. Nur stille, liebes Herz, Und laß dem Stern der Hoffnung, der uns blinkt, Mit frohem Muth uns klug entgegen steuern. |
Pylades (allein): Von dem Schicksal der Königsfamilie wirkt sie sehr berührt. Wer auch immer sie ist, sie muss den König gekannt haben. Zu unserem Glück stammt sie offenbar aus gutem Haus. Vielleicht wurde sie an jemanden auf dieser Insel verkauft. Jedenfalls besteht jetzt Hoffnung für uns. Wir müssen diese Chance nur noch richtig nutzen. |
Kommentare (32)
Von neu nach altWir bitten um ihr Verständnis.
Ein Beispiel hierfür:
Vers 697 ["Ich halte nichts von dem, der von sich denkt, wie ihn das Volk vielleicht erheben möchte."] - hier hätte ich jetzt anders angesetzt. Vielleicht "Ich halte nichts von Leuten, die es nur des Ruhmes wegen tun."/"Ich halte nichts von Leuten, die nur deshalb große Taten tun, weil sie sich beim Volk beliebt machen und gefeiert werden möchten."?
Jedenfalls ein großes DANKESCHÖN für diese Übersetzung!
Diese Seite hilft das Buch besser zu verstehen als alles andere!
Großes Kompliment und vielen vielen Dank!