1. Hinweise
Dieser Artikel enthält eine „Übersetzung” des ersten Aufzugs von Iphigenie auf Tauris in modernes Deutsch. Die Übersetzung wurde — so gut es ging — Vers für Vers durchgeführt, sodass die einzelnen Verse jeweils in Goethe-Deutsch und in modernem Deutsch ungefährlich den gleichen Sinn haben sollten. Immer eingehalten werden konnte das nicht. Die Übersetzung hier ist als Vorschlag anzusehen. Sicherlich kann man einige Abschnitte anders übersetzen und vermutlich habe ich bei einigen auch nicht Goethes Intention getroffen (er macht es einem nicht gerade leicht...). Textstellen an denen ich mir besonders unsicher war und die daher mit besonderer Vorsicht zu genießen sind habe ich entsprechend markiert (etwa mit (unsicher) oder (?)). Grundsätzlich kann es auch bei den sonstigen Abschnitten nicht schaden, sich eine eigene Meinung zu bilden. Soweit dies sinnvoll erschien habe ich auch in den Versen zusätzlichen Text oder Wörter ergänzt (so wird z. B. des öfteren aus „Diane” „Göttin Diana”), sodass die Aussage klarer wird. Der Text kann (ohne die Übersetzung) bei gutenberg.org eingesehen werden.
2. 1. Aufzug, 1. Auftritt
Goethe-Deutsch | Modernes Deutsch |
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Iphigenie. | Iphigenie: |
Heraus in eure Schatten, rege Wipfel | Ich gehe in den Schatten der Bäume mit ihren sich im Wind wiegenden Wipfeln |
Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines, | In die alte, heilige Gruppe von Bäumen mit ihrem dichtem Laub, |
Wie in der Göttin stilles Heiligthum | die ein so ruhiges Heiligtum der Göttin Diana ist. |
Tret' ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl, | Ich betrete diesen Ort auch jetzt noch mit einem unguten Gefühl, |
Als wenn ich sie zum erstenmal beträte, | so als würde ich ihn zum ersten Mal betreten. |
Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher. | Ich kann mich einfach nicht an diesen Ort gewöhnen. |
So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen | Seit vielen Jahren |
Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe; | verlangt die Göttin Diania, dass ich an diesem Ort bleibe. |
Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd. | Doch ich fühle mich hier genauso fremd wie am ersten Tag. |
Denn ach mich trennt das Meer von den Geliebten, | Zwischen mir und meiner Familie liegt ein ganzes Meer. (Da sie sich auf der Insel Tauris befindet.) |
Und an dem Ufer steh' ich lange Tage | Häufig stehe ich lange am Strand |
Das Land der Griechen mit der Seele suchend; | und sehne mich nach Griechenland. |
Und gegen meine Seufzer bringt die Welle | Doch meine Seufzer |
Nur dumpfe Töne brausend mir herüber. | werden nicht erhört / führen zu nichts. |
Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern | Es ist schrecklich, fern von Eltern und Geschwistern |
Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram | ein einsames Leben zu führen. Es erfüllt einen mit großem Kummer. |
Das nächste Glück vor seinen Lippen weg, | Man spürt kein Glück mehr. |
Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken | Die Gedanken schweifen ab, |
Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne | hin zum Haus der Kindheit, |
Zuerst den Himmel vor ihm aufschloss, wo | wo man einst glücklich war. (unsicher) |
Sich Mitgeborne spielend fest und fester | Dort spielte man mit Gleichaltrigen |
Mit sanften Banden an einander knüpften. | und gewann deren Freundschaft. |
Ich rechte mit den Göttern nicht; allein | Ich will ja nicht die Entscheidungen der Götter anzweifeln, aber |
Der Frauen Zustand ist beklagenswerth. | die Lage der Frauen ist schlecht. |
Zu Haus und in dem Kriege herrscht der Mann | Zu Hause und im Krieg haben Männer das Sagen. |
Und in der Fremde weiß er sich zu helfen. | Auch an unbekannten Orten wissen sie sich zu helfen. |
Ihn freuet der Besitz; ihn krönt der Sieg! | Sie bauen gerne Vermögen auf. Sie erhalten Anerkennung und Ruhm für große Siege. |
Ein ehrenvoller Tod ist ihm bereitet. | Selbst ihr Tod ist ehrenvoll. |
Wie eng-gebunden ist des Weibes Glück! | Frauen hingegen sind sehr eingeschränkt! |
Schon einem rauhen Gatten zu gehorchen, | Sie müssen ihrem — manchmal rauen — Ehemann gehorchen. |
Ist Pflicht und Trost; wie elend, wenn sie gar | Das ist ihre Pflicht und ihr Trost. Besonders schlimm wird es, |
Ein feindlich Schicksal in die Ferne treibt! | wenn sie in eine unbekannte, weit entfernte Region geraten. |
So hält mich Thoas hier, ein edler Mann, | So ist König Thoas zwar ein edler Mann, |
In ernsten, heil'gen Sklavenbanden fest. | doch gleichzeitig zwingt er mich auch dazu, hier auf der Insel zu bleiben und Priesterin zu sein. |
O wie beschämt gesteh' ich, daß ich dir | Nur ungerne gebe ich zu, |
Mit stillem Widerwillen diene, Göttin, | dass ich dir (Göttin Diana) zwar diene, aber nur mit Widerwillem. |
Dir meiner Retterin! Mein Leben sollte | Du hast mein Leben gerettet. Eigentlich sollte ich dir nun |
Zu freiem Dienste dir gewidmet sein. | bedingungslos dienen. |
Auch hab' ich stets auf dich gehofft und hoffe | Ich habe immer auf dich gebaut |
Noch jetzt auf dich, Diana, die du mich, | und glaube auch jetzt noch an dich. Denn du hast mich, |
Des größten Königes verstoßne Tochter, | die verstoßene Tochter des mächtigen Königs Agamemnon, |
In deinen heil'gen sanften Arm genommen. | zu dir geholt. (Agamemnon wollte sie opfern, um die Gunst Dianas wiederzuerlangen, Diana "teleportierte" Iphigenie aber zuvor nach Tauris.) |
Ja, Tochter Zeus, wenn du den hohen Mann, | Bitte Diana. Von Agamemnon hast du gefordert, |
Den du, die Tochter fordernd, ängstigtest, | mich zu opfern und ihm damit Angst eingejagt. |
Wenn du den göttergleichen Agamemnon, | Von ihm wolltest du, |
Der dir sein Liebstes zum Altare brachte, | dass er opfert, was ihm am Liebsten ist. |
Von Troja's umgewandten Mauern rühmlich | Du hast ihn mit einem großen Sieg über Troja belohnt |
Nach seinem Vaterland zurück begleitet, | und ihn auf seiner Heimreise begleitet. |
Die Gattin ihm, Elektren und den Sohn, | Du hast das Leben meiner Mutter sowie von Elektra und und Orest gesichert. |
Die schönen Schätze, wohl erhalten hast; | Du hast ihm seine reiche Beute erhalten. |
So gib auch mich den Meinen endlich wieder, | Bitte, gib mir auch mein altes Leben wieder! Bring mich zurück zu meiner Familie! |
Und rette mich, die du vom Tod errettet, | So wie du mich schon einmal vor dem Tod gerettet hast, |
Auch von dem Leben hier, dem zweiten Tode! | so rette mich bitte auch vorm zweiten Tod auf dieser Insel! |
3. 1. Aufzug, 2. Auftritt
Goethe-Deutsch | Modernes Deutsch |
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Arkas. Der König sendet mich hierher und beut Der Priesterin Dianens Gruß und Heil. Dieß ist der Tag, da Tauris seiner Göttin Für wunderbare neue Siege dankt. Ich eile vor dem König und dem Heer, Zu melden, daß er kommt und daß es naht. |
Arkas: Der König hat mich geschickt, er lässt dir (Iphigenie) Grüße ausrichten. Heute müssen wir der Diana Göttin Diana danken, denn wir haben großartige Siege im Kampf errungen. Der König hat mich vorausgeschickt und lässt ausrichten, dass er bald mit seiner Armee hier ankommen wird. |
Iphigenie. Wir sind bereit sie würdig zu empfangen, Und unsre Göttin sieht willkommnem Opfer Von Thoas Hand mit Gnadenblick entgegen. |
Iphigenie: Wir werden den König und seine Armee angemessen empfangen. Unsere Göttin Diana erwartet mit Freude die Opfer, die der König ihr mitbringt. |
Arkas. O fänd' ich auch den Blick der Priesterin, Der werthen, vielgeehrten, deinen Blick, O, heil'ge Jungfrau, heller, leuchtender, Uns allen gutes Zeichen! Noch bedeckt Der Gram geheimnisvoll dein Innerstes; Vergebens harren wir schon Jahre lang Auf ein vertraulich Wort aus deiner Brust. So lang ich dich an dieser Stätte kenne, Ist dieß der Blick, vor dem ich immer schaudre; Und wie mit Eisenbanden bleibt die Seele In's Innerste des Busens dir geschmiedet. |
Arkas: Dein ehrenswerter, leuchtender Charakter ist uns allen ein Vorbild, Iphigenie. Hätte ich doch auch nur einen solchen Charakter! Dein Kummer verbirgt auf geheimnisvolle Weise was du wirklich denkst. Bereits seit vielen Jahren warten wir darauf, dass du mehr vertrauen zu uns fasst. Doch du hälst alles über dich tief in dir verborgen. So wie du jetzt guckst, das erzeugt bei mir ein ungutes Gefühl. |
Iphigenie. Wie's der Vertriebnen, der Verwais'ten ziemt. |
Iphigenie: So verhalten sich eben Menschen, die vertrieben wurden und an einem fremden Ort leben müssen. |
Arkas. Scheinst du dir hier vertrieben und verwais't? |
Arkas: Fühlst du dich hier vertrieben und heimatlos? |
Iphigenie. Kann uns zum Vaterland die Fremde werden? |
Iphigenie: Kann man sich an einem fremden Ort, fernab der Heimat jemals wie Zuhause fühlen? |
Arkas. Und dir ist fremd das Vaterland geworden. |
Arkas: Dir ist auch dein Zuhause fremd geworden! |
Iphigenie: Das ist's, warum mein blutend Herz nicht heilt In erster Jugend, da sich kaum die Seele An Vater, Mutter und Geschwister band; Die neuen Schößlinge, gesellt und lieblich, Vom Fuß der alten Stämme himmelwärts Zu dringen strebten; leider faßte da Ein fremder Fluch mich an und trennte mich Von den Geliebten, riß das schöne Band Mit ehrner Faust entzwei. Sie war dahin, Der Jugend beste Freude, das Gedeihn Der ersten Jahre. Selbst gerettet, war Ich nur ein Schatten mir, und frische Lust Des Lebens blüht in mir nicht wieder auf. |
Iphigenie: Daher bin und bleibe ich unglücklich. In der Kindheit baut man gewöhnlich enge Bindungen mit dem Vater, der Mutter und den Geschwistern auf. Als Kind blickt man nach vorne und will viel erreichen. Doch genau zu dieser Zeit erfasste mich der Fluch der Familie. Ich wurde von den Menschen getrennt, die ich am meisten liebte. Brutal wurden wir getrennt! Mir wurde genommen, was in der Kindheit am schönsten ist. Auch wenn ich gerettet wurde, bin ich nur noch ein Schatten meiner selbst und lebensmüde geworden. |
Arkas. Wenn du dich so unglücklich nennen willst, So darf ich dich auch wohl undankbar nennen. |
Arkas: Wenn du nach allem was wir hier für dich getan haben so unglücklich bist, dann wirkst du aber sehr undankbar auf mich. |
Iphigenie. Dank habt ihr stets. |
Iphigenie: Oh, ich danke euch für das was ihr getan habt. |
Arkas. Doch nicht den reinen Dank, Um dessentwillen man die Wohlthat thut; Den frohen Blick, der ein zufriednes Leben Und ein geneigtes Herz dem Wirthe zeigt. Als dich ein tief geheimnißvolles Schicksal Vor so viel Jahren diesem Tempel brachte, Kam Thoas dir, als einer Gottgegebnen, Mit Ehrfurcht und mit Neigung zu begegnen, Und dieses Ufer ward dir hold und freundlich, Das jedem Fremden sonst voll Grausens war, Weil niemand unser Reich vor dir betrat, Der an Dianens heil'gen Stufen nicht, Nach altem Brauch, ein blutig Opfer, fiel. |
Arkas: Das wirkt aber nicht ganz ehrlich, da hatten wir uns schon etwas mehr erhofft. Wir wollen dich glücklich sehen! Dann würden wir uns freuen, wie sich ein Wirt über zufriedene Kunden freut. Auf mysteriöse Weise bist du vor vielen Jahren urplötzlich im Tempel erschienen. Als das geschah hat der König Thoas das als Zeichen der Götter angesehen und hat der Ehrfurcht und Freundschaft entgegengebracht. Diese Insel hat dich gut empfangen, ganz anders als normale Fremde, denn die haben wir gewöhnlich in Dianas Tempel einfach geopfert. |
Iphigenie. Frei athmen macht das Leben nicht allein. Welch Leben ist's das an der heil'gen Stätte, Gleich einem Schatten um sein eigen Grab, Ich nur vertrauern muß? Und nenn' ich das Ein fröhlich selbstbewußtes Leben, wenn Uns jeder Tag, vergebens hingeträumt, Zu jenen grauen Tagen vorbereitet, Die an dem Ufer Lethe's selbstvergessend, Die Trauerschaar der Abgeschiednen feiert? Ein unnütz Leben ist ein früher Tod; Dieß Frauenschicksal ist vor allen meines. |
Iphigenie: Ja, ich bin noch am leben. Aber das reicht nicht, um glücklich zu sein. Ich muss hier im Tempel — so als wäre er mein Grab — dienen und kann nicht weg. Das macht mich unglücklich. Ist das denn ein Leben, wenn man den Tag nur mit sinnlosem Nachdenken verbringen kann? Nachdenken über diesen fernen Tag an dem man im Jenseits stehen wird, zusammen mit anderen Verstorbenen. Ein so sinnloses Leben ist das gleiche wie ein früher Tod. Doch das ist nicht nur ein typisches Leben für Frauen, sondern vor allem auch mein Leben. |
Arkas. Den edeln Stolz daß du dir selbst nicht g'nügest, Verzeih' ich dir, so sehr ich dich bedaure; Er raubet den Genuß des Lebens dir. Du hast hier nichts gethan seit deiner Ankunft? Wer hat des König trüben Sinn erheitert? Wer hat den alten grausamen Gebrauch, Daß am Altar Dianens jeder Fremde Sein Leben blutend läßt, von Jahr zu Jahr, Mit sanfter Überredung aufgehalten, Und die Gefangnen vom gewissen Tod In's Vaterland so oft zurückgeschickt? Hat nicht Diane, statt erzürnt zu sein, Daß sie der blut'gen alten Opfer mangelt, Dein sanft Gebet in reichem Maß erhört? Umschwebt mit frohem Fluge nicht der Sieg Das Heer? und eilt er nicht sogar voraus? Und fühlt nicht jeglicher ein besser Loos, Seitdem der König, der uns weis' und tapfer So lang geführet, nun sich auch der Milde In deiner Gegenwart erfreut und uns Des schweigenden Gehorsams Pflicht erleichtert? Das nennst du unnütz, wenn von deinem Wesen Auf Tausende herab ein Balsam träufelt? Wenn du dem Volke, dem ein Gott dich brachte, Des neuen Glückes ew'ge Quelle wirst, Und an dem unwirthbaren Todes-Ufer Dem Fremden Heil und Rückkehr zubereitest? |
Arkas: Nun, dass du offenbar mit der selbst nicht zufrieden bist, das verzeihe ich dir mal. Allerdings bedauere ich dich, denn diese Ansicht der Dinge macht dich sicherlich nicht glücklich. Hast du denn wirklich seit deiner Ankunft nichts getan? Hast du nichts erreicht? Wer hat denn dann unseren König aufgemuntert? Und wer hat dafür gesorgt, dass dieser grässliche Brauch abgeschafft wurde? Der Brauch nach dem jeder Fremde am Altar der Göttin Diana geopfert wird. Jahr für Jahr wurden Menschen ermordet. Doch mit ein wenig sanften Einwirken auf den König hast du das beendet. Du hast das Leben all dieser Gefangenen gerettet! Unverletzt konnten sie in ihre Heimat zurückkehren. Und Diana war nicht wütend darüber, dass wir ihr keine Opfer mehr erbracht haben, dank deines Gebets zu ihr. Und erringt unsere Armee nicht viele Siege? Eilt der Ruf unseres Heeres ihm nicht voraus? Und fühlt sich nicht jeder unserer Einwohner besser, seit unser weiser und tapferer König nun auch gelernt hat, Milde zu zeigen? Ein Charakterzug den du ihm beigebracht hast und der uns das Befolgen seiner Befehle erleichtert. Du bezeichnest dich also als unnütz, obwohl deine Taten so vielen Menschen geholfen haben? Eine Göttin hat dich hier hergebracht. Das ganze Volk verdankt dir viel von seinem heutigen Glück. Und an unserer gefährlichen Küste kannst du den Gestrandeten Trost spenden und ihnen bei der Rückkehr helfen. |
Iphigenie. Das Wenige verschwindet leicht dem Blick, Der vorwärts sieht, wie viel noch übrig bleibt. |
Iphigenie: Diese Dinge vergisst man leicht, wenn man über die Zukunft nachdenkt und dort nichts sinnvolles erkennen kann. |
Arkas. Doch lobst du den, der was er thut nicht schätzt? |
Arkas: Aber findest du das richtig, wenn man seine eigene Taten nicht gutheißt? |
Iphigenie. Man tadelt den, der seine Thaten wägt. |
Iphigenie: Man kritisiert denjenigen, der mit seinen Taten protzt. (unsicher) |
Arkas. Auch den, der wahren Werth zu stolz nicht achtet, Wie den, der falschen Werth zu eitel hebt. Glaub' mir und hör' auf eines Mannes Wort, Der Treu und redlich dir ergeben ist: Wenn heut der König mit dir redet, so Erleichtr' ihm was er dir zu sagen denkt. |
Arkas: Aber kritisiert man auch denjenigen, der einfach stolz auf seine wirklich guten Taten ist? Kritisiert man ihn genauso sehr, wie jemand, der in seiner Eitelkeit rumprotzt? Hör auf meinen Rat, als treuer Freund: Wenn der König dir nachher eine Entscheidung mitteilen will, dann mach es ihm damit nicht zu schwer. |
Iphigenie. Du ängstest mich mit jedem guten Worte; Oft wich ich seinem Antrag mühsam aus. |
Iphigenie: Du jagst mir geradezu Angst ein. Er hat mir schon häufiger einen Antrag gemacht — und genauso häufig bin ich seinen Anträgen schon ausgewichen. |
Arkas. Bedenke was du thust und was dir nützt. Seitdem der König seinen Sohn verloren, Vertraut er wenigen der Seinen mehr, Und diesen wenigen nicht mehr wie sonst. Mißgünstig sieht er jedes Edeln Sohn Als seines Reiches Folger an, er fürchtet Ein einsam hülflos Alter, ja vielleicht Verwegnen Aufstand und frühzeit'gen Tod. Der Scythe setzt in's Reden keinen Vorzug, Am wenigsten der König. Er, der nur Gewohnt ist zu befehlen und zu thun, Kennt nicht die Kunst, von weitem ein Gespräch Nach seiner Absicht langsam fein zu lenken. Erschwer's ihm nicht durch ein rückhaltend Weigern, Durch ein vorsetzlich Mißverstehen. Geh Gefällig ihm den halben Weg entgegen. |
Arkas: Denk gut darüber nach was du tust und ob dir das nützt! Seit der König seinen Sohn verloren hat, vertraut er nur noch wenigen Leuten — und selbst diesen nur sehr begrenzt. Mit einem flauen Gefühl blickt er auf jeden Sohn eines Adligen und befürchtet, dass dieser zu einem Tronfolger werden könnte, wenn er durch einen Aufstand gestürzt und anschließend getötet wird. Ein Krieger (?) hält nicht viel vom Reden und der König erst recht nicht. Er ist nur daran gewöhnt zu befehlen. Er ist ein Mann der Taten. Er ist kein großer Redner und auch nicht gut darin, andere Menschen mit Worten zu beeinflussen. Daher mach es ihm nicht unnötig schwer. Verweigere dich ihm nicht und verstehe ihn bitte auch nicht absichtlich falsch. Komm ihm wenigstens etwas entgegen. |
Iphigenie. Soll ich beschleunigen was mich bedroht? |
Iphigenie: Ich soll ihm also dabei helfen, mir zu schaden? |
Arkas. Willst du sein Werben eine Drohung nennen? |
Arkas: Du betrachtest also sein Werben um dich als Bedrohung? |
Iphigenie. Es ist die schrecklichste von allen mir. |
Iphigenie: Sogar als die schlimmste Bedrohung, die ich mir vorstellen kann! |
Arkas. Gib ihm für seine Neigung nur Vertraun. |
Arkas: Bring ihm doch etwas mehr Vertrauen entgegen. |
Iphigenie. Wenn er von Furcht erst meine Seele lös't. |
Iphigenie: Erst wenn er mich von meiner Angst erlöst. (unsicher) |
Arkas. Warum verschweigst du deine Herkunft ihm? |
Arkas: Warum verschweigst du ihm eigentlich woher du kommst? |
Iphigenie. Weil einer Priesterin Geheimniß ziemt. |
Iphigenie: Jede Priesterin hat ihre Geheimnisse... |
Arkas. Dem König sollte nichts Geheimniß sein; Und ob er's gleich nicht fordert, fühlt er's doch Und fühlt es tief in seiner großen Seele, Daß du sorgfältig dich vor ihm verwahrst. |
Arkas: Dem König gegenüber solltest du aber keine Geheimnisse haben. Er mag dich zwar nicht direkt dazu auffordern, ehrlich zu ihm zu sein, aber dennoch enttäuscht es ihn sehr, dass du ihm etwas verschweigst. |
Iphigenie. Nährt er Verdruß und Unmuth gegen mich? |
Iphigenie: Schürt er schon den Unmut gegen mich? |
Arkas. So scheint es fast. Zwar schweigt er auch von dir; Doch haben hingeworfne Worte mich Belehrt, daß seine Seele fest den Wunsch Ergriffen hat dich zu besitzen. Laß, O überlaß ihn nicht sich selbst! damit In seinem Busen nicht der Unmuth reife Und dir Entsetzen bringe, du zu spät An meinen treuen Rath mit Reue denkest. |
Arkas: Den Eindruck habe ich in der Tat. Er redet zwar nicht von dir, aber einige Worte hier und da haben mir gezeigt, dass er fest entschlossen ist, mit dir zusammenzukommen. Bitte erfülle ihm diesen Wunsch. Alles andere würde ihn sehr traurig machen. Auch für dich wären die Konsequenzen unschön — und vermutlich würdest du dich dann an meinen Rat erinnern. |
Iphigenie. Wie? Sinnt der König, was kein edler Mann, Der seinen Namen liebt und dem Verehrung Der Himmlischen den Busen Bändiget, Je denken sollte? Sinnt er vom Altar Mich in sein Bette mit Gewalt zu ziehn? So ruf' ich alle Götter und vor allen Dianen, die entschloss'ne Göttin, an, Die ihren Schutz der Priesterin gewiß Und Jungfrau einer Jungfrau gern gewährt. |
Iphigenie: Wie bitte? Plant der König etwa allen ernstes was keiner auch nur denken sollte? Erst Recht niemand, der einen Glauben hat? Hat er wirklich vor, mich direkt vom Traualtar mit Gewalt in sein Bett zu zerren? Wenn ja, dann werde ich zu den Göttern beten, vor allem zu Diana. Mit Sicherheit wird sie eine Priesterin beschützen und einer Jungfrau dabei helfen, Jungfrau zu bleiben. |
Arkas. Sei ruhig! Ein gewaltsam neues Blut Treibt nicht den König, solche Jünglingsthat Verwegen auszuüben. Wie er sinnt, Befürcht' ich andern harten Schluß von ihm, Den unaufhaltbar er vollenden wird: Denn seine Seel' ist fest und unbeweglich. Drum bitt' ich dich, vertrau' ihm, sei ihm dankbar, Wenn du ihm weiter nichts gewähren kannst. |
Arkas: Sei still! Auch wenn der König einen neuen Sohn will, wird er doch nichts derartig hitköpfiges tun. Allerdings befürchte ich, dass er einen anderen bösen Entschluss fassen könnte (gemeint ist die Wiedereinführung der Opferungen) und dass er sich in diesem Punkt dann nicht beirren lassen wird, denn ein einfaches „Nein” kann er nicht dulden. Daher bitte ich dich, ihm etwas Vertrauen und Dankbarkeit entgegen zu bringen, wenn du ihm schon sonst nicht entgegen kommen willst. |
Iphigenie. O sage was dir weiter noch bekannt ist. |
Iphigenie: Was meinst du mit dem „bösen Entschluss”? |
Arkas. Erfahr's von ihm. Ich seh' den König kommen; Du ehrst ihn, und dich heißt dein eigen Herz, Ihm freundlich und vertraulich zu begegnen. Ein edler Mann wird durch ein gutes Wort Der Frauen weit geführt. |
Arkas: Tja, lass es dir von ihm sagen. Da vorne kommt er ja. Deine Gegenwart ehrt ihn (?) und dein eigenes Herz sagt dir, dass du ihm etwas Freundlichkeit und Vertrauen entgegen bringen solltest. Ein edler Mann wie er kann schon durch ein paar nette Worte von einer Frau aufgeheitert (?) werden. |
Iphigenie (allein). Zwar seh' ich nicht, Wie ich dem Rath des Treuen folgen soll; Doch folg' ich gern der Pflicht, dem Könige Für seine Wohlthat gutes Wort zu geben, Und wünsche mir, daß ich dem Mächtigen, Was ihm gefällt, mit Wahrheit sagen möge. |
Iphigenie (allein): Ich kann zwar nicht erkennen, wie ich dem Ratschlag von Arkas folgen könnte. Aber dennoch werde ich meine Pflicht erfüllen und dem König für seine guten Taten ein paar nette Worte entgegenbringen. Ich hoffe, dass dem König das gefällt zu hören, was auch tatsächlich der Wahrheit entspricht. |
Kommentare (52)
Von neu nach altWir bitten um ihr Verständnis.
#glowup
Die Seite ist auch sehr gut für die lektüre: http://dokumente-online.com/iphigenie-auf-tauris-analyse-des-1-aufzug.html