Interpretationshilfe zum Gedicht "Der lag besonders mühelos am Rand" von Walter Höllerer.
Das Gedicht selbst darf hier leider aus urheberrechtlichen Gründen nicht aufgeführt werden.
1. Interpretation
Wichtige Themen, die das Gedicht behandelt sind:
- Verrohung/Abhärtung der Soldaten:
Sie nehmen es scheinbar teilnahmslos hin, dass der Rücken des Toten blutgetränkt ist. Über den Pferdemist, den der Namenlose in vermutlich im Todeskampf gefasst hat, amüsieren sie sich sogar. Der Tod als etwas angenehmes:
Zitat: positive/angenehme Darstellungen des Toten
Der Tote am Wegesrand wird vor allem in der ersten Strophe sehr positiv dargstellt, als würde er schlafen. Der Tod erscheint hier wie ein Ort der Ruhe und Regeneration nach dem sich die kämpfenden Soldaten sehnen. Den Toten scheinen sie schon fast zu beneiden.
(...) lag besonders mühelos (...)
Gegensatz zu den kämpfenden und sich abmühenden Soldaten(...) Wimpern hingen zufrieden (...)
(...) hätte meinen können, daß er schliefe.
Der Tod als ein Ort der Ruhe.- Verarbeitung des täglichen Überlebenskampfes:
Die Tatsache, dass sich die Soldaten über den Toten amüsieren, ist nicht nur ein Zeichen für ihre Verrohung, sondern auch eine Art Selbstschutz. Indem sie den Tod und das Sterben in ihrer Bedeutung abwerten, fällt es ihnen leichter, den Krieg zu ertragen. Durch die Abwertung des Toten am Wegesrand werten sie sich selbst zudem auf - das hilft, im Krieg nicht den Verstand zu verlieren. Bedeutungslosigkeit der Toten und des Todes:
Zitat: Vers 9ff
Der Tote wird zwar um seine Ruhe etwas beneidet, er bleibt aber trotzdem durch das gesamte Gedicht hindurch namenlos. Für die Soldaten scheint er auch nur deshalb kurz in Erinnerung zu bleiben, weil er etwas Pferdemist in der Hand hält. Die Tatsache, dass er tot ist, stört sie scheinbar nicht. Für sie ist er nichts weiter als eine kurzfristig lustige Begebenheit und ein Hindernis für die anderen Kolonnen. Am Ende wird er einfach in den Schnee abseits des Weges gelegt. Auch die Erinnerung der Soldaten an den Toten ist offensichtlich kurz darauf bereits verflogen:
(wir konnten dann den Witz
Nicht oft erzählen, beide haben wir
Ihn schnell vergessen)
Bedeutung des Pferdemistes:
Den Pferdemist hat der Tote vermutlich in seinen letzten Atemzügen ergriffen. Man kann spekulieren, dass er im Todeskampf aufgrund der Schmerzen die Hand zusammengezogen und dabei - rein zufällig - ein Stück Pferdemist ergriffen hat. Durch die darauffolgende Totenstarre blieb der Mist dann in seiner Hand. In diesem Zusammenhang wirkt es besonders zynisch, dass die beiden Soldaten sich über den Pferdemist in der Hand des Toten amüsieren. (Interpretationsmöglichkeit: Krieg und seine dramatischen Folgen für Opfer und Beteiligte).
Der Pferdemist wird aber auch als "gelb und starr" (Vers 13) bezeichnet. Man könnte hier eine Verbindung zum Krieg herstellen, der ebenfalls unangenehm wirkt (gelber Mist ist schon eine Stufe unannehmlicher als normaler Mist) und "erstarrt" ist, also ohne wirklichen Sinn und ohne Erfolge geführt wird. (Das ist aber eine recht weit hergeholte Interpretation).
Wichtig ist auch, wie das lyrische Ich (einer der beiden Soldaten) neben dem "Witzchenreißen" auf den Mist reagiert:
Er vergleicht zuerst die Art, wie der Tote den Pferdemist hält, mit der Art, wie man auch ein "Schwert" (Vers 11) halten würde. Das gibt noch einmal einen Hinweis darauf, dass sein Denken stark vom Krieg geprägt ist. Über die Tatsache, dass sich der Tote an einem Stück Pferdemist "festklammert" wundert er sich aber auch. In Gedanken zählt er auf, woran sich ein Soldat seiner Meinung nach eher als an Pferdemist festklammert:
- Erde (Vers 14):
Wird für jeden Schützengraben verwendet, also auch aus Sicht der Soldaten ein Symbol für Schutz.
Manch ein Soldat hat auch Erde von den Kriegsschauplätzen, an denen er gekämpft hat, in kleinen Dosen gesammelt. Positive Rückerinnerung nach dem Motto: "Durch den Krieg bin ich immerhin viel in der Welt herumgekommen." - Arm (Vers 14):
Hier Symbol für Nähe zu anderen Menschen mit denen man auch schwere (Kriegs-)Situationen gemeinsam durchstehen kann. - ein Kreuz, ein Gott (Vers 15):
Symbole für Glauben, der traditionell darauf ausgelegt ist, den Menschen auch in schwierigen Zeiten beizustehen oder zu helfen (wie z.B. in einem Krieg).
Damit beendet das lyrische Ich den Gedankengang über diese Dinge, die einem Soldaten im Krieg "beistehen" können. Das Ende fällt recht abrupt aus:
(...)ein Kreuz, ein Gott: ich weiß nicht was.
Man bekommt den Eindruck, dass das lyrische Ich erst hier bemerkt, wie es mit den Gedanken abschweift - und zwar in eine eher emotionale Richtung, die wohl manch einem Soldaten unangenehm erscheinen könnte. Es bricht daher möglichst schnell den Gedankengang ab und widmet sich lieber wieder kühl den Kriegsalltag: Den im Weg liegenden Toten in den Schnee zu tragen.
Kommentare (7)
Von neu nach altWir bitten um ihr Verständnis.
Ansonsten gelungen.